1990 - Zukunft der Magnetbandtechnik
aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK - Hr. 8 /1990
Auf einem Seminar der Agfa-Gevaert AG im Rahmen des Agfa-Forum referierte Dipl.-Ing. Werner Singhoff, Leiter der Hauptabteilung "Anwendungstechnik" bei Agfa-Magnetband in München, über die Zukunft der Magnetbandtechnik vorzugsweise im professionellen Bereich.
Auszüge seines Referats seien nachstehend wiedergegegeben.
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1. Einleitung
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Führt man sich heute die explosionsartige Entwicklung vielfältigster Systeme zur Ton- und Bildaufzeichnung vor Augen, stellt sich unweigerlich die Frage, ob wir so viele verschiedene Techniken brauchen und welche sich langfristig durchsetzen werden. Um diese und ähnliche Fragen zu beantworten, muß man sich zunächst den momentanen Stand vergegenwärtigen.
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1. Audiobereich
Relativ einfach fällt die Prognose für die zukünftigen Entwicklungen im Audio-Bereich. Bei der Produktion von Audio Programmen wird schwerpunktmäßig die auch heute noch eingesetzte 2"-Analogaufzeichnung mit 24 Kanälen und bei der Filmproduktion der 16mm-, 17,5mm- und 35mm-L-Magnetfilm bestehen bleiben.
Ergänzend dazu wird sich das 1/2"- bzw. 1"-Digitalband durchsetzen und auf lange Sicht das 2"-Mehrspur-Analogband in den Hintergrund drängen. Dies dürfte allerdings erst ab Mitte der 1990er Jahre eintreten.
Ergänzt werden diese Formate sicherlich noch durch Disk-Systeme wie beispielsweise das Synclavier. Sie werden die Mehrspur-Aufzeichnung erleichtern, möglicherweise den Bandverbrauch sowohl bei der Analog- als auch Digitaltechnik vermindern, können aber letztlich eines oder gar beide Systeme nicht ersetzen.
Die Filmproduktion
Die Filmproduktion wird weiterhin auf 16mm-, 17,5mm- und 35mm-Magnetfilm laufen. Parallel dazu wird jedoch mit Einführung von HDTV und in Verbindung mit neuesten Aufnahmetechniken bei der Videoproduktion eine Zeitverkoppelung mit 1/2"-und 1"-Digitalband erfolgen.
Digitales Speichern auf Festplatten oder DAT-Band
Auch die optische Speicherplatte wird - allerdings nur für kurze Takes bei relativ einfachen Produktionen in 2-Kanal-Technik - ihren Platz als neues Aufzeichnungsformat finden.
Im Rundfunkbereich und bei der Archivierung wird nach wie vor hauptsächlich das 1/4"-Analogband zum Einsatz kommen. Die 1/4"-Digitaltechnik bietet zwar bei Direktmitschnitten Qualitätsvorteile, hat bei der Erstellung fertiger Sendekopien jedoch den Nachteil einer aufwendigen Nachbearbeitung.
Steigende Qualitätsanforderungen für Rundfunkübertragungen, beispielsweise bedingt durch Satellitenempfang, werden den Einsatz digitaler Formate wie R-Dat, PD oder DASH in diesem Bereich beschleunigen. R-Dat bietet durch entsprechende Nutzung des Subcodes eine bequeme Sendeablauflechnik. Die Archivierbarkeit und Langzeitstabilität von R-Dat-Aufnahmen sind bis dato jedoch noch in Diskussion. Hier müssen noch praktische Erfahrungen gesammelt werden.
1.1. Audioduplizierung
Die Entwicklung in der Audioduplizierung ist im wesentlichen abhängig von der Entwicklung des Tonträgermarktes. Bei der Herstellung von Compact-Cassetten werden heute überwiegend die 1/2"- und 1"-Submasters für Schleifenbetrieb eingesetzt. Als optimales Master für die CD-Herstellung hat sich das U-matic-Digitalformat durchgesetzt. An Bedeutung verliert das 1/4"-Analogband in Zweikanaltechnik zur Herstellung der Matrizen für die Schallplattenproduktion.
Die Überspielung aus elektronischen Speichern wird bei der MC-Produktion (MC = Musik-Cassetten, also bespielte Compact-Cassetten) kommen, bei der Digitalcassette werden langsam das R-Dat- und l/4"-Digital-Submaster einfließen, wobei das R-Dat-Submaster natürlich zum Bespielen des elektronischen Speichers eingesetzt werden kann, wie auch das 1/4"-DigitalSystem.
Damit wird eine vielfache Nutzung der Systeme für die Massenprodukte MC und CD ermöglicht, die sich letztlich auch beim Endverbraucher als zukünftige Tonträger durchsetzen.
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Die guten alten Vinylplatten
Streiten kann man über das endgültige Aus der guten alten Vinylplatte. Die vielen verfügbaren Plattenspieler werden sicher noch einige Jahre die Nachfrage nach Schallplatten aufrechterhalten.
Als neuer Tonträger wird sich früher oder später die R-Dat-Cassette etablieren. Erste Einsätze in den letzten beiden Jahren zeigen positive Tendenzen, vor allem was die Qualität betrifft, lassen aber noch keine Prognosen für ihren Durchbruch zu.
Abzuwarten bleibt auch die Entwicklung der S-Dat-Musikcassette (die DCC Kassette), die - sofern ihr Hersteller Philips sich endgültig entscheidet - 1993 auf den Markt kommen könnte.
2. Videoaufzeichnung
Alle heute im Einsatz befindlichen drei Fernsehsysteme, nämlich NTSC mit seinen systemverbesserten Abkömmlingen SECAM und PAL sowohl im 525/60- als auch 625/50-Standard, haben einen gemeinsamen Nachteil: durch die gemeinsame Übertragung von Luminanz- und Chrominanz-Signal in einem Kanal (Composite-Video) entstehen sogenannte Cross-Colour-Effekte, unter denen die Bildqualität leidet.
Eine Verbesserung liegt also in der Trennung von Luminanz- und Chrominanzsignal, sowohl im Bereich der Übertragung als auch bei der Aufzeichnung.
Die Übertragung mit D2-MAC
Mit dem europäischen D2-MAC-Standard, bei dem es sich im wesentlichen um eine sequentielle Übertragung des Luminanz- und Chrominanzsignals zur Vermeidung der Cross-Colour-Störung handelt, bietet sich eine Lösung.
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Ganz nebenbei bietet D2-MAC mehrere Tonvarianten (2x Stereo, 4x Mono, 8x Mono mit 7 kHz), was sicher für ein gemeinsames europäisches Fernsehsystem mit seiner Sprachenvielfalt von großem Vorteil ist. Die Problematik der Videoaufzeichnung ist mit den bereits eingesetzten Systemen Betacam SP und MII für die professionelle Anwendung im ENG- und Studiobereich gelöst. Für die Aufzeichnung im Amateurbereich wird sich parallel zu VHS das S-VHS-System durchsetzen.
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Hochauflösendes Fernsehsystem (HDTV)
Weitaus größer sind die technischen Herausforderungen bei der Entwicklung eines hochauflösenden Fernsehsystems (HDTV). Seine Vorteile liegen klar auf der Hand: optimaler Präsenzeindruck in Bild und Ton durch Vergrößerung des Betrachtungswinkels bei gleichzeitiger Verkürzung des Betrachtungsabstandes und Erhöhung des Anflösungsvermögens.
Letzteres wiederum setzt eine höhere Bandbreite bei der Übertragung und Aufzeichnung voraus. Damit wird die Luminanzbandbreite bei HDTV auf etwa 20 MHz festgelegt, unabhängig davon, ob man das japanische System High-Vision (1125 Zeilen/60 Hz) oder das europäische HD-MAC-System (1250 Zeilen/50 Hz) diskutiert.
Für die Aufzeichnung bei HDTV bieten sich in jedem Fall die Systeme auf Basis des 1"-C- oder 1"-B-Formats an. 1"-Digitalformate sind in der Übergangsphase zu sehen. Als Produktionsstandard wird sich die unkomprimierte Komponentenaufzeichnung durchsetzen, die eine Datenübertragungsrate von mehr als 1 Gbit/s erfordert. Hier sind Anstrengungen im Gange, dies mit Hilfe eines 3/4"-Systems auf Metallpulverbasis in der Cassette zu realisieren.
Zur Ausstrahlung und Archivierung von HDTV-Programmen werden Systeme entwickelt, die mit Datenreduktion, das heißt komprimierten Komponenten arbeiten. Damit ist es möglich, die Datenübertragungsraten auf etwa 80 Mbit/s zu reduzieren. Auch hier bieten sich wiederum 3/4"-Bänder auf Metallpulverbasis in der Cassette an.
Die möglichen Gefahren des raschen Fortschritts
Bei aller Euphorie, mit der neue, zukunftweisende Aufzeichnungssysteme für Bild und Ton entwickelt und zum Einsatz gebracht werden, sollte man zum Schluß noch einen kritischen Blick auf mögliche Gefahren werfen, die der rasche Fortschritt und die Systemvielfalt mit sich bringen.
Da der Wert einer Audio- oder Videoaufzeichnung ja nicht in ihrer technischen Tatsache besteht, sondern vielmehr im Erhalt des Programminhalts, das heißt also in ihrer Archivierbarkeit liegt, stimmt es bedenklich, wenn man erfährt, daß durch die explosionsartige Entwicklung verschiedenster Systeme zwangsläufig Probleme mit dem Aufbewahren wertvollen Kulturgutes entstehen:
In großem Umfang wurden zunächst die alten 2"-Bänder auf modernere 1"-Bänder überspielt, jetzt wird die Umspielung von 1"-Band auf Betacam SP oder MII diskutiert, damit auch die Archive auf dem neuesten Stand der Technik sind.
Hier steigt nicht nur die Anzahl notwendiger Überspielungen ständig, sondern die dabei zwangsläufig zu treffende Auswahl kommt auch einer Vorzensur gleich. Deshalb sollte bei der Entwicklung zukünftiger Systeme darauf geachtet werden, daß sie einwegkompatibel sind, das heißt zumindest alte Programme abspielen können.
Ein zweiter Aspekt
Ein zweiter Aspekt, der den Blick in die Zukunft ein wenig trübt, ist die zunehmende Miniaturisierungstendenz sowohl bei der Entwicklung der Soft- als auch der Hardware: Je kleiner das Band, desto höher die Datendichte und desto höher die Anfälligkeit für Fehler. Die heute erreichten Anfzeichnungsdichten nähern sich einem Grenzbereich, der zwar technisch noch überschreitbar ist, gleichzeitig aber nur mit wachsenden Fehlerkorrekturmaßnahmen eine sichere Aufzeichnung garantiert und damit Gefahr läuft, reiner Selbstzweck zu werden.
Abschließend sei daher nochmals die Anforderung an zukünftige Audio-und Videosysteme kurz zusammengefaßt: Fortschritt ja - aber nicht auf Kosten der Qualität, Sicherheit und Langzeitstabilität der Aufzeichnung.