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5.5. Der erste Einsatz in der Bundesrepublik Deutschland 1957

Bereits 1957 besuchte der damalige Technische Direktor des Südwestfunks, Dr. Joachim von Braunmühl, die Firma Ampex in Kalifornien und ließ sich von den Vorzügen der magnetischen Bildaufzeichnung überzeugen. Nachdem die technische Anpassung des Gerätes an die europäische CCIR-Norm durch die Firma Siemens & Halske in Karlsruhe unter Mitwirkung des IRT gesichert war, orderte der Südwestfunk Baden-Baden als erste deutsche Rundfunkanstalt eine Bildmagnetaufzeichnungsanlage vom Typ Ampex VR-1000.

Anläßlich der Sitzung des Rundfunkrates am 11./12. Juli 1958 wurde das erste, auf die europäische Norm umgestellte Ampex-Gerät im Funkhaus Baden-Baden vorgestellt (Bild 19).

Die VR 1000 besser als 16-mm-Halbbildaufzeichnung

Für die Vorführung wurden Kamerabilder des FS-Übertragungszuges nach erfolgter Aufzeichnung wiedergegeben. Dabei war die Auflösung zwar etwas geringer als bei den Live-Bildern, aber die fehlerfreie Halbtonwiedergabe, die Ruhe des Bildstandes und das Fehlen der vom Film her bekannten Schlieren, Laufschrammen und Kratzer führten zu einem überraschend guten Gesamteindruck. Es herrscht die Meinung vor, daß schon dieses erste Gerät die Wiedergabequalität der 16-mm-Halbbildaufzeichnung zumindest erreicht habe. Übrigens, die zweite Maschine wurde zum NDR nach Hamburg geliefert.

Es ging los beim SWF Baden Baden

Beim Südwestfunk begann eine Phase der Einarbeitung und der Tests. Kurz nachdem der Verwaltungsrat des Südwestfunks am 6. 12. 1958 der Beschaffung einer zweiten Maschine zugestimmt hatte, sendete am 9. 12. 1958 dann der Südwestfunk die erste Ampex-Magnetbildaufzeichnung im Abendprogramm des Deutschen Fernsehens. Es war eine 35min Sendung mit dem Titel „Arles - Rue Vincent van Gogh". In den Technischen Blättern des SWF (Heft 4/1958) ist zu lesen: „Aus Rückfragen war zu schließen, daß technische Laien keinen Unterschied gegenüber der durchschnittlich gewohnten Qualität bemerkt haben."

Erste Versuche mit Parallel-Aufzeichnungen

Obwohl es sich - angesichts der Neuheit der Technik - immer noch um Betriebseinsätze im Stadium der Erprobung handelte, erstellte der SWF eine Reihe von Parallel-Aufzeichnungen von Live-Sendungen zum Zwecke späterer Wiederholung.

Eine erste echte Vorproduktion, die Anfang 1959 fast ganz von einer MAZ wiedergegeben wurde, wagte man in Baden-Baden mit dem Fernsehspiel „Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt.

Erste Beurteilungen im Frühjahr 1959

Von Braunmühl schrieb dazu in den Technischen Blättern 1/1959: „Dieses Spiel von fast zwei Stunden Dauer wurde mit Ausnahme eines Mittelteils von 10min in fortlaufender Produktion, d. h. ohne Anwendung von Schnitten, aufgezeichnet und gesendet. Da der SWF bislang nur über eine einzige Bildbandmaschine verfügt, deren durchgehende Aufzeichnungsdauer auf eine Stunde beschränkt ist, wurde ein kleiner Ausschnitt in der Mitte des Spiels unter Ausnutzung passender Szenenwechsel mit fotografischer Halbbildaufzeichnung auf 16-mm-Umkehrfilm überbrückt."

Es ging alles gut und der zur Sicherheit erstellte 16mm-Film, der während der Sendung praktisch synchron zur Magnetbandwiedergabe lief, brauchte nicht in Aktion zu treten. Von Braunmühl berichtete weiter: „Dieser Erfolg hat bewiesen, daß die magnetische Bildaufzeichnung auch für die Vorproduktion hochkünstlerischer Programmteile reif ist; und es hat sich gezeigt, daß sich die Sendung einer solchen Aufzeichnung in der technischen Qualität von der Live-Sendung praktisch nicht unterscheidet."

Es gab sogar die sogenannte AMPEX-Fibel

Um den Programmschaffenden die Besonderheiten der magnetischen Bildaufzeichnung nahezubringen, hat der SWF ein Merkblatt - die sogenannte AMPEX-Fibel - herausgebracht, in dem die Möglichkeiten und die technischen Bedingungen zusammengestellt waren {Bild 20).

Eine erste MAZ Bilanz nach 8 Monaten

Der damalige Leiter der Hauptabteilung Videofrequenztechnik, Paul Send, zog in den Technischen Blättern des Südwestfunks eine erste Bilanz: „In vielen Programmsparten ist der Übergang auf Bandproduktion gewagt worden und, wie nach 8 Monaten gesagt werden kann, durchaus gelungen. Abgesehen von kürzeren Sendungen sind schon vollständige Nachmittags- und Abendprogramme des Deutschen Fernsehens als Beitrag des SWF vorproduziert und vom Band gesendet worden. Darüber hinaus ist auf Wunsch anderer Rundfunkanstalten eine Reihe aktueller Ereignisse aufgenommen und im Namen der betreffenden Anstalt gesendet worden.

In der gesamten vom SWF gelieferten Sendezeit der vergangenen 8 Monate sind mit Einschluß der Gefälligkeitssendungen bereits 30 Bandsendungen enthalten. Dabei gab es eine einzige Unterbrechung von 3 Minuten durch einen Röhrendefekt, so daß das Band auf die Reservemaschine umgelegt und an passender Stelle wieder gestartet werden mußte.

  • Anmerkung : Damit ist bestätigt, daß der SWF bereits zwei Ampex Maschinen gehabt haben mußte.

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Insgesamt 900 Betriebsstunden

Bis Ende Juli haben die Maschinen insgesamt 900 Betriebsstunden erreicht, in denen viel Zeit für Messungen, technische Versuche, Proben u. dgl. enthalten ist. Schon jetzt hat sich mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß die Fernsehproduktion mit Bandaufzeichnung erhebliche Vorteile für den Betrieb mit sich bringt. Sehr auffällig ist die bessere Ausnutzung der Studiokapazität, die zu einem größeren Produktionsvolumen geführt hat. Die Stoßbelastung des Personals, wie sie bei Live-Produktionen unausbleiblich war, ist ebenso gemildert wie die - letzten Endes mehr gefürchtete als geschätzte - Premierenatmosphäre ..."

  • Anmerkung : Laut den alten MAZ Technikern bei Radio Bremen hatte ein komplettes Kopfrad einer VCR 1000C nur wenig mehr als 100 (hundert) Betriebsstunden, bevor die Qualität merkbar absank. Die Aufarbeitung kostet jeweils etwa 6.000.- bis 7.500 DM, ein Volkswagen VW Käfer kostete 4.998.- DM !!!

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5.6. Mobile MAZ

Da Fernsehproduktionen nicht nur in den heiligen Hallen eines Ateliers „abgedreht" werden, sondern diese auch zuweilen verlassen, um mittels Übertragungswagen auf fremdem Territorium produziert zu werden, war es naheliegend, auch die fast schon unentbehrliche Magnetaufzeichnungsanlage zu „mobilisieren".

Die MAZ beim SWF im Möbelwagen

Nach Vorversuchen in einem Möbelwagen wagte es der Südwestfunk bereits 1960, eine seiner Maschinen - bestehend aus 2 großen, je 50cm breiten und 2m hohen, mit Röhren vollgepfropften Schränken, einer wuchtigen, ca. 2m breiten Konsole für das Bandlaufwerk einschließlich entsprechender Elektronik und zahlreicher Monitoren - in ein eigens dafür geschaffenes Fahrzeug zu installieren. Stabile Netzteile für die Stromversorgung von maximal 15 kVA sowie eine ausreichende Klimatisierung und Wärmeabfuhr waren nur einige der Aufgaben, die es bei der Konzeption des 8-Tonners zu lösen galt.

1967 - die Ampex VR-3000 mit nur 25 Kilo für 20 Minuten

Im März 1967 brachte Ampex mit der VR-3000 den ersten tragbaren Videorecorder in 2"-Technik auf den Markt. Das Gewicht des batteriebetriebenen Recorders betrug ca. 25 kg. Er war speziell für die Aufzeichnung aktueller Ereignisse konzipiert -heute würde man dies mit „EB" (Elektronische Berichterstattung) bezeichnen - und verfügte demnach aus Volumen- und Gewichtsgründen nur über eine Aufzeichnungsdauer von 20 Minuten und besaß keine Wiedergabeeinrichtungen, wie sie für ein sendefähiges Signal erforderlich waren. Gleichwohl, der Anfang in Richtung kleinere Maschinen war getan.

6. Elektronische Zeitlupe

Ein ganz anderes Feld in der elektronischen Produktion war die beim Film längst beherrschte Zeitlupe, d. h. die Wiedergabe von Bewegungsvorgängen bei geändertem Zeitablauf. Besonders nützlich sind solche Methoden zur Verdeutlichung des Geschehens bei Sportsendungen.

Vesuche mit Folien-Zwischenspeichern

Entsprechende Versuche mit Quadruplex-Maschinen (unter Verwendung von Folien-Zwischenspeichern) sind in Japan und in England unternommen worden, die auch zu einsatzfähigen Geräten - bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio und bei der Fußballweltmeisterschaft 1966 in England - geführt haben. Der technische Aufwand war jedoch in beiden Fällen so groß, daß man von dieser Lösungsart wieder abkam (Bild 21).

1967 - die „magnetische Metallscheibe"

1966 beauftragte der amerikanische Medienkonzern ABC die Firma Ampex, ein elektronisches Zeitlupengerät zu entwickeln. Das Entwicklungsteam unter John Poole erkannte rasch, daß unter Umgehung des Magnetbandes nach einem anderen Trägermedium gesucht werden mußte. Die Lösung hieß: „magnetische Metallscheibe". Im März 1967 sendete ABC zum ersten Mal elektronische Zeitlupe auf der von Ampex entwickelten HS-1OO Slow-Motion.

Fast gleichzeitig brachte die amerikanische Firma MVR-Corporation ein einfaches Zeitlupengerät auf den Markt, bei dem als Informationsspeicher ebenfalls eine Metallplatte verwendet wurde, die mit einem magnetisierbaren Material beschichtet war. Die Aufnahmedauer betrug, ebenso wie bei der HS-100, 20 Sekunden; ausreichend für alle in Frage kommenden Anwendungsfälle.

1967 - beim IRT entwickeltes PAL Gerät

Jedoch waren diese Zeitlupeneinrichtungen nicht von Anfang an für die europäische Norm geeignet. Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München entwickelte 1967 - unter Verwendung verfügbarer Grundbausteine wie Speicherplatte, Antriebsmotor und Videoköpfe - ein universell anwendbares, PAL-tüchtiges, elektronisches Zeitlupengerät. Dieses Laborgerät wurde bei allen wichtigen Sportübertragungen der ARD und des ZDF bis Anfang der 70er Jahre erfolgreich eingesetzt.

Um nur einige Einsätze zu nennen:

- 1967/68 Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen
- 1968 Winterolympiade in Grenoble
- 1968 Fußball-Länderspiel Deutschland-England in Hannover
- 1968 Fußball-Europameisterschaft in Rom
- 1968 Leichtathletik-Länderkampf Deutschland-Ungarn in Hannover
- 1970 Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko.

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Ein Plattenspeicher mit einer magnetisierbaren Nickel-Kobalt-Schicht

Bild 22 zeigt den oberen Teil des IRT-Zeitlupengerätes mit Platte und Schrittschaltmotoren (darunter und daneben befanden sich 9 Einschübe mit konzentrierter Elektronik). Wie dieses „Fernseh-Zeitlupengerät für Schwarzweiß- und Farbfernsehen" funktionierte, wurde 1967 auf der 15. Jahrestagung der Fernseh-Technischen Gesellschaft in Aachen von Herbert Fix (IRT) ausführlich erläutert und sei hier auszugsweise wiedergegeben :

„Neuerdings steht ein Plattenspeicher mit einer magnetisierbaren Nickel-Kobalt-Schicht als Aufzeichnungsträger zur Verfügung. Bei einer Drehzahl von 3000 U/min wird auf der oberen und auf der unteren Plattenseite jeweils mit einem Videokopf auf etwa 450 konzentrischen Spuren, je Spur ein Teilbild des frequenzmodulierten Fernsehsignals aufgezeichnet.

18 Sekunden Speicherkapazität

Dies ergibt insgesamt eine Speicherkapazität von etwa 18 Sekunden bei normalem Zeitablauf. Der Transport der Videoköpfe von Spur zu Spur erfolgt mit einem Schrittschaltwerk, das nur die extrem kurze Schaltzeit von etwa 14 Millisekunden benötigt.

Damit ist es möglich, die aufgezeichneten Teilbildspuren bei der Wiedergabe beliebig oft und in der für die gewünschten Effekte notwendigen Reihenfolge zu wiederholen. Vorgesehen sind - neben der normalen Wiedergabe und der Erzeugung von stehenden Bildern - Zeitlupeneffekte mit veränderbarer Zeitcodierung bis 1:10, Zeitraffung 1:3 und 1:5 sowie spezielle Trickeffekte. Alle Bewegungsvorgänge können vorwärts und rückwärts ablaufen.

Bildqualität recht zufriedenstellend

Die Bildqualität ist recht zufriedenstellend. Man muß jedoch bedenken, daß Rauschstörungen im aufgezeichneten Signal bei der zeitgedehnten Wiedergabe „einfrieren". Dies wird besonders deutlich bei der Erzeugung von stehenden Bildern. Außerdem geht die halbe Vertikalauflösung verloren, da infolge des Zeilensprungverfahrens bei Zeitdehnungen das 2. Teilbild jeweils durch Verzögerung des Bildsignals um eine halbe Zeile - mittels Ultraschall-Verzögerung von 32us -erzeugt werden muß."

Bild 23 vermittelt eine Vorstellung über die prinzipielle Wirkungsweise eines Slow-Motion-Gerätes mit Speicherplatte. Das später das IRT-Zeitlupengerät ablösende amerikanische „disk-orientierte" Slow-Motion-System bediente sich zweier Platten und vier separater, motorgesteuerter Aufzeichnungsköpfe.

7. Schlußbemerkungen

Für die Rundfunkanstalten ist die Technik der magnetischen Bildaufzeichnung zu einem unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Wenn auch heute das Quadruplex-System bei den meisten Nutzern nur noch zur Abspielung von sogenannten Konserven eingesetzt wird, so haben Ginsburg und seine Zeitgenossen mit ihren Entwicklungen doch einen Meilenstein in der Geschichte der magnetischen Bildaufzeichnung gelegt.

Die Recorder wurden kleiner, die Bandformate schmaler (1 Zoll bis herunter zu einer Breite von 8mm sind heute Standard), digitale Verfahren sind im Begriff, analoge Systeme abzulösen, aber - mit Ausnahme der im semiprofessionellen Bereich eingesetzten „Videoplatte" - für den Fernsehproduktionsbetrieb ist eine wirtschaftliche Alternative für das Magnetband als Speichermedium derzeit noch nicht zu sehen (Bild 24 und 25).

Der Autor Dipl.-Ing. Wolfgang Weinlein

Dipl.-Ing. Wolfgang Weinlein (53) studierte an der Technischen Universität Karlsruhe Nachrichtentechnik. Nach einer kurzen Industriezeit als Entwicklungsingenieur bei Telefunken in Backnang begann 1963 seine Tätigkeit im Rundfunk in der Fernsehmeßechnik beim Südwestfunk Baden-Baden, bei dem er als Meßingenieur, Fachgruppenleiter der MAZ-Technik und später stellvertretender Abteilungsleiter bis 1974 intensiv mit der magnetischen Bildaufzeichnung befaßt war.

Danach übernahm er die Leitung der Fernsehbetriebstechnik in Baden-Baden und war damit weiterhin der MAZ-Technik eng verbunden. 1976 bis 1979 war er Abteilungsleiter des Produktionsbetriebes für Fernsehen und Hörfunk im Südwestfunk-Landesstudio Rheinland-Pfalz in Mainz.

Seit 1979 ist Wolfgang Weinlein leitender Ingenieur in der Technischen Direktion des Südwestfunks. Technisch-wissenschaftliche Konzeptionen neuer Systeme und Verfahren gehören u. a. ebenso zu seinem Arbeitsfeld wie medientechnische Öffentlichkeitsarbeit oder die Mitarbeit in zahlreichen nationalen und internationalen Arbeitsgruppierungen. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Geschichte der Rundfunktechnik" der Technischen Kommission ARD/ZDF versucht er mitzuhelfen, das historische Bewußtsein in den Rundfunkanstalten zu wahren und weiterzuentwickeln .

Dieser Artikel stammt aus Juli 1988

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