"tonband" Heft 1 • März 1966 • 3. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Einführung)
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
Über den Zweck der Geräte der Tontechnik
Die Geräte und die Verfahrensweisen der Tontechnik haben sicher primär den Zweck, Schallereignisse aufzuzeichnen, zu fixieren, zu konservieren und zu beliebiger Zeit wiederzugeben, zu reproduzieren.
Verfolgt man die Geschichte der Schallaufzeichnung, so findet man, daß die Idee dazu um einige Zeit älter ist als die durch Edison eingeleitete Geschichte ihrer technischen Verwirklichung.
Besonders hübsch hat noch vor Beginn des 19. Jahrhunderts Freiherr von Münchhausen in einem abenteuerlichen Bericht über eine Winterreise nach Rußland diesen Wunsch poetisch formuliert:
Die "Story" von Freiherr von Münchhausen
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- „. . . Wir gerieten in einen engen Hohlweg zwischen Dornenhecken. Ich rief dem Postillon zu, er solle tüchtig blasen, damit wir nicht festsäßen, falls uns ein Fuhrwerk entgegenkäme. Er setzte sein Horn auch an und blies nach Leibeskräften. Aber es kam kein Ton heraus . . . Abends saßen wir dann bei einem Glas dampfendem Punsch in der Gaststube zusammen, als es plötzlich losging: Tati! Tata! Terengtengteng! - Mit aufgerissenen Augen starrten alle auf das an der Wand hängende Posthorn unseres Kutschers. Unaufhörlich quollen neue Töne aus ihm. Die Mitreisenden zeigten sich äußerst bestürzt über dieses Hexenkunststückchen und rückten von unserem braven Kutscher ab. Ich aber ließ Wein anfahren und beruhigte meine Gesellschaft mit der einzig möglichen Erklärung: Die Töne waren in der grimmigen Kälte draußen eingefroren, weshalb der Kutscher seine Warnsignale ja auch nicht herausgebracht hatte. In der Stubenwärme tauten sie nun wieder auf und kamen hübsch der Reihe nach aus dem Hörn heraus . . ."
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Was immer ertönt, geht vorüber
Über die reine Dokumentation hinaus war aber schon in einem sehr frühen Zeugnis vom Vorhandensein der Idee zur Schallaufzeichnung noch ein anderes Moment mit im Spiel. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts schrieb Augustin:
„Was immer ertönt, geht vorüber, und man wird darin nichts finden, was man wieder in Gebrauch nehmen und durch die Kunst gestalten könnte."
Hier ist bereits das angesprochen, was den Geräten und Verfahrensweisen der Tontechnik über den rein technischen und dokumentarischen Zweck hinaus ihren eigentlichen geistig kulturellen Sinn verleiht: daß wir mit ihnen nämlich ein neues Gestaltungsmittel haben, ein Instrument gewissermaßen, mit dem Aussagen eigener Art gemacht werden können.
Neue Möglichkeiten der Anwendung der Tontechnik
Man braucht, um diese Tatsache zu erhärten, nur auf den Rundfunk hinzuweisen, der in seinem produktiven Teil nichts anderes ist als die Anwendung der Tontechnik. Der Rundfunk hat sehr früh schon erkannt, daß er nicht nur ein Medium der Information und der Unterhaltung ist, sondern daß eben in der Anwendung der Tontechnik auch neue Möglichkeiten stecken, künstlerische und andere Aussagen zu interpretieren: d. h. eigenständig zu gestalten - und sogar zu komponieren: d. h. neues Aussagematerial und durch dessen Verarbeitung neue Aussageformen zu produzieren.
Beispiel für tontechnische Interpretation wäre etwa die Aufnahme von Musikwerken, besonders die mehrmikrofonale. Eine solche Aufnahme unterscheidet sich erheblich von einer live-Aufführung und setzt eine richtige Tonregie voraus. Als eigene Kompositionsweisen können das Hörspiel, die Musique concrete und die elektronische Musik genannt werden.
Die Profis und ihre hochqualifizierte Apparatur
Gerade der Hinweis auf den Rundfunk macht jedoch eine nicht zu übersehende Tatsache deutlich: Er verfügt über eine hochqualifizierte Apparatur, die von ebenso hochqualifizierten Fachleuten meisterhaft gehandhabt wird.
Dazu kommt noch die in seiner Struktur als Organisation angelegte Möglichkeit, die für hervorragende Ergebnisse unabdingbar ist, künstlerische, technische und organisatorische Kompetenzen auf die jeweiligen Spezialisten zu verteilen.
Die Arbeitsweise des Rundfunks als Vorbild nehmen
Es ist klar, daß im Amateurbereich den Gestaltungsmöglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Trotzdem sollte man sich da die Arbeitsweise des Rundfunks zum Arbeitsmodell nehmen. Das könnte z. B. bedeuten, daß man sich in seiner Umgebung nach anderen Tonbandgeräte- und Mikrofonbesitzern umsieht und mit ihnen ein Team bildet.
Vielleicht hat sogar einer ein Mischpult. Doch das kann man sich auch selber bauen. Dies wird heißen, daß man bei Neuanschaffungen mindestens auf möglichst optimale Mikrofonqualität achtet. Es müßte dazu führen, daß man für ein Hörspiel mit einer guten Spielgruppe (mit einem noch besseren Spielleiter und Sprech-Erzieher!), für musikalische Aufgaben mit einer guten Musikantengruppe (das Playback-einMann-Orchester ist künstlerisch und soziologisch absurd!) kooperiert.
Will man experimentelle Klänge und Klangstrukturen realisieren, tut man gut daran, nach jemand Umschau zu halten, der etwas von der seriellen musikalischen Komposition versteht. Solche Kooperationen sind häufiger möglich, als man zunächst geneigt ist zu denken. Sie können von Fall zu Fall wechseln und sind bei richtiger Partnerwahl immer fruchtbar.
Mehr als den hobby-mäßigen Umgang mit Tonbandgeräten anstreben
Vor allem aber sollte man in Amateurkreisen über einen rein hobby-mäßigen Umgang mit Tonbandgeräten endlich hinauskommen. Man kann nämlich auch in diesem Bereich zur Interpretation und Komposition auf dem Gebiet der Tontechnik kommen. Gerade dazu wollen diese Zeilen Anregungen und Hilfen geben.
Auch was die Prospekte der Herstellerfirmen und die übliche Tonbandliteratur als Zweck eines Tonbandgerätes angeben, ist bei weitem ungenügend. Geräusch-, Playback-, Echo- und Montagetricks etwa haben künstlerisch keine Qualität, sondern sind - richtig in ein Hörwerk eingebaut - reine Hilfsmittel.
Genau so ist es mit dem sogar schon als Kriterium der Meisterschaft gepriesenen "Cutten". Auch das so beliebte, von der „Idee" bis zur Sprech-, Spiel- und Tonregie selbstgestrickte „Hörspiel" (dagegen ein Beispiel in Heft 4/65 dieser Zeitschrift, das einige literarische Qualitäten aufzuweisen hat - wir haben das hier im Web weggelassen, es war viel zu lang) und die nicht minder beliebten Dia- und Schmalfilmvertonungen kommen doch im allgemeinen über eine rein gesellige Funktion für die Bastler selbst und allenfalls noch für ihre Onkel und Tanten nicht hinaus.
Hobby und Geselligkeit reichen für viele nicht mehr aus
Nichts gegen Hobby und nichts gegen Geselligkeit! Es ist gut, daß es beides in unserer weithin passiven Konsumgesellschaft noch oder wieder gibt! Gemeint ist hier nur, daß das nicht alles ist, und angesprochen werden sollen hier eben die, die gemerkt haben, daß das allein nicht genügt.
Musische Integration der technischen Mittler - so anspruchsvoll hat man es einmal auf einer Tagung in der Musischen Bildungsstätte in Remscheid ausgedrückt.
Genau diesen Anspruch meine ich, und eben diesem Anspruch kann man auch im Amateurbereich gerecht werden. Diese Überlegungen - und ich meine, es sei notwendig, sie einmal in einer Tonbandzeitschrift zu äußern - sind eine Frucht meiner Tätigkeit als Dozent für Tontechnik an dem genannten Remscheider Institut.
Erfahrungen und Beispiele aus meiner Arbeit
Dazu kommen vielerlei Erfahrungen, die ich bei Wochenend- und anderen Tonbandlehrgängen machen konnte.
Auch die Beispiele, die ich beschreiben will, stammen aus meiner Remscheider Arbeit. Sie sind gedacht als kleine Modelle für typische tontechnische Gestaltungsweisen. Es sind sozusagen tontechnische Etüden. Methodisch gesehen können sie sogar einen Grundlehrgang zu unserem Thema ergeben. Voraussetzen muß ich natürlich, daß die notwendigen Kenntnisse über die Geräte (Tonbandgerät, Mikrofone, Mischeinrichtungen, Abhörlautsprecher u. a.) und über die wichtigsten Verfahrensweisen (Mikrofonwahl, -aufstellung und -anschluß, Pegel- und Dynamikregelung, Mischen mehrerer Mikrofonsignale und Zuspielbänder, Schneiden und Montieren, raumakustische Maßnahmen u. a.) der Tontechnik bekannt sind. Einiges hier nicht Erwähnte wird an Ort und Stelle zu besprechen sein.
Ein Wort zu einem vernünftigen Gerätepark
Als „Gerätepark" wäre wünschenswert: drei Tonbandgeräte (mit 19 und 9,5 cm Bandgeschwindigkeit, Halbspurköpfen und ausreichendem Störspannungsabstand), drei Mikrofone mit Verlängerungskabeln (zwei mit Nieren- und eines mit Kugelcharakteristik, günstig ist Baßblende an einem Mikrofon, in vielen Fällen kommt man auch mit einer Niere und einer Kugel aus), Stativen und u. U. Übertragern, ein Mischpult (mit zwei bis drei Mikrofon- und zwei Tonträgereingängen, zu erreichen ist diese Zahl auch, wenn an einem Tonbandgerät schon ein Mischeingang ist), Abhörlautsprecher (gute Qualität, auf ihn und das feine Gehör des Tontechnikers kommt es sehr an!) und Cutterwerkzeug (antimagnetische Schere, Fettstift, Klebeschiene, Klebeband, weißes und andersfarbiges Vorspannband).
- Anmerkung : Das war jetzt ein einziger Satz vom Herrn Doktor.
Von Vorteil ist z. B. für experimentelle Klangrealisationen, wenn ein Tonbandgerät auch noch die Geschwindigkeit 4,75 hat und wenn eins ein Stereogerät ist. Man sollte zu erreichen suchen, daß man zwei Räume zur Verfügung hat, einen für die Ausführenden und einen für die Technik. Sichtverbindung ist ganz schön, aber nicht notwendig. Wenn man sie hat, muß sie rückkopplungsdicht sein. Mit Filz oder Schaumgummistreifen kann man abdichten.
Für ein reibungsloses Arbeiten baut man sich mit Taschenlampenbirnchen und Kippschaltern eine Signalanlage. Vielleicht kann später einmal eine Baubeschreibung für eine Kommando-Srechanlage beschrieben werden. Bereit haben muß man auch immer Material (aufhängbare Decken, aufstellbare Dämmplatten) zur akustischen Veränderung des Aufnahmeraumes.
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Natürlich muß man seine Geräte bedienen können
Kann man nicht in getrennten Räumen arbeiten, so braucht man noch einen Kopfhörer. Man nehme aber einen der sehr guten dynamischen, weil der Frequenzgang und der Klirrfaktor der üblichen magnetischen oder Kristallkopfhörer ganz ungenügend sind.
Muß ich es erst noch sagen, daß zu der ausreichenden (anzahl- und qualitätsmäßig) Geräteausstattung und der gründlichen Kenntnis der Verfahrensweisen noch die absolut sichere Handhabung der Geräte und Verfahren treten muß?
Dafür kann man keine Anweisungen geben, da muß man eben viel üben und sich gut einspielen. Wo es geht, gebe ich bei den zu beschreibenden Modellen auch mögliche einfachere - allerdings meist nicht so überzeugende - Lösungen an (etwa Lösungen der gestellten Aufgaben mit nur einem Mikrofon).
Technik - ein Instrument für Gestaltungsaufgaben
Die gesamte „Technik" soll - wie gesagt - für Gestaltungsaufgaben „nur" ein Instrument sein. Aber sie muß eben ein gutes Instrument sein, reibungslos beherrscht und gekonnt (im Amateurbereich fast schon virtuos) gehandhabt werden!
tonband - Heft 2 • Mai 1966 • 3. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Teil 1)
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
Wir beginnen unsere, wie ich sie in der Einleitung genannt habe, Etüden zur tontechnischen Gestaltung da, wo die Akustik überhaupt anfängt - beim Verhältnis des Schalls zum Raum.
Da eine Tonbandaufnahme nur akustisch wirksam werden kann, kommt der Raumrealisation und der Raumdifferenzierung grundlegende Bedeutung zu. Gegeneinanderstellen oder Übereinandersetzen verschiedener Raumakustiken ergibt beim Hören etwa das Gleiche, das in der Optik das Plastische ist.
Räume können real, geographisch bestimmbar sein; sie können aber auch - und das ist ein besonderes Charakteristikum des Hörspiels - seelische (Stimme des Gewissens) oder geistige (Gedanken) Bereiche gewissermaßen hörbar machen.
Es kann sich aber auch um bewußt (Rückblende) oder unbewußt (Träume) vorgestellte oder um angenommene, fiktive Bereiche unseres Wesens handeln. Wegen ihrer möglichen Vieldeutigkeit und Mehrschichtigkeit spricht man bei Raumeindrücken gerne und besser von akustischen Ebenen.
Über die akustischen Ebenen :
Kapitel I. Akustische Gestalt eines Textes
Ihre technische Handhabung wollen wir an einigen Grundmodellen darstellen und üben.
Die meisten Leser dieser Zeitschrift besitzen vermutlich das hübsche Heft der BASF „Heiteres Tonband-Brevier". Der dritte Abschnitt des Einleitungskapitels eignet sich gut für unser erstes Gestaltungsmodell. Es heißt da: „Einer der ältesten Wünsche der Menschheit ist es, das Flüchtige festzuhalten. Auf die verschiedensten Weisen hat man es im Lauf der Jahrhunderte versucht.
Bilder wurden gemalt, Plastiken gemeißelt, Prachtbauten errichtet. Und wenn eines dieser Werke der Öffentlichkeit übergeben wurde, dann hieß es wohl immer so schön zum Schluß einer Rede: ",... und so hoffen wir denn, daß dieses Werk die Zeiten überdauern und künftigen Geschlechtern Zeugnis von uns ablegen möge!' - Ein Denkmal mehr war in der Welt."
Es sind zwei sehr verschiedenartige Textformen
Der Abschnitt setzt sich aus zwei sehr verschiedenartigen Textformen zusammen, die entsprechend verschiedenartige akustische Ebenen bekommen müssen. Wir haben
a) einen sachlichen, nüchternen, trockenen Bericht, der aber trotz seiner Sachlichkeit eine ansprechende sprachliche Diktion hat und der sogar deutlich rhythmisiert ist. Man vertausche einmal im Schlußsatz „war" und „mehr" und schon stimmt der Rhythmus nicht mehr. Wir haben
b) eine in den Bericht eingeblendete „Festrede". Sie ist nicht sehr ernst gemeint und darf deshalb etwas in der Richtung grotesk-pathetisch überzogen werden.
Über die Mittel zur Gestaltung von Text und Räumen
Als Mittel zur Gestaltung von Text und Räumen bei der Aufnahme stehen uns zur Verfügung: Für (a)
1. trockener Raum (eventuell durch „bauliche Maßnahmen" - siehe Einleitung - und durch Baßblende am Mikrofon zu erreichen),
2. kurzer Sprechabstand,
3. Mikrofon mit Nierencharakteristik,
4. mittlerer Aussteuerungspegel (Einstellung am Aufnahme-Lautstärkeregler),
5. nüchterne, sachliche Sprechweise.
Für (b) dagegen haben wir
1. Raum mit mehr Resonanz (Hall),
2. großer Sprechabstand, über den ganzen Raum hinweg,
3. Mikrofon mit Kugelcharakteristik,
4. hoher Aussteuerungspegel (fast Vollaussteuerung),
5. Sprechweise: Festrednerpathos und -lautstärke.
Als 6. Differenzierung könnte noch dazukommen
für (a) Frauenstimme,
für (b) Männerstimme.
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Den Raum abhängen oder akustisch dämpfen
Beide Sprecher können gut im gleichen Raum sein, wenn man (a) durch aufgehängte Decken, einen großen Pappkarton o. ä. abgrenzt. Der Dämpfungsbereich der Nierencharakteristik ist dem Festredner zugewandt, so daß (a) durch (b) nicht gestört wird. Mikrofon (a) kann also während der ganzen Aufnahme am Mischpult aufgezogen bleiben. Mikrofon (b) aber muß rechtzeitig (wann ist durch Versuche zu ermitteln) hochgezogen und nicht zu früh und zu schnell (Gedankenstrich im Text!) wieder weggenommen werden.
Gelungen ist die Aufgabe, wenn - abgesehen vom Sprechen selbst - der Festredner deutlich in einem größeren Raum ist und wenn das Ein- und besonders das Ausblenden von (b) kontinuierlich erscheint.
Kapitel II. Draußen - Drinnen
Der Außenraum (A) ist ein Treppenhaus oder ein genügend langer Gang, in dem jemand kommt und auf eine Tür zugeht, dort kurz stehen bleibt und schließlich anklopft (oder auf einen Klingelknopf drückt).
Der Innenraum (I) ist ein Zimmer, in dem jemand sitzt und nach dem Anklopfen „Herein!" ruft. Die Türe geht auf (oder wird aufgemacht), Begrüßung, Türe zu, Platz nehmen, und ein improvisiertes, im Thema aber abgesprochenes Besuchsgespräch beginnt.
Für den Ablauf braucht man einen Assistenten, der durch Klopfen an die Türe bei noch nicht aufgezogenem Aussteuerungsregler (bei schon laufender Maschine) dem Besuchenden das Startzeichen gibt und der an der Türe lauert, bis der Besuch an der Türe angekommen ist, um dem Mann am Mischpult den Umschaltpunkt anzuzeigen.
Technischer läßt sich der Ablauf durch eine einfache Signalanlage mit Taschenlampenbatterie, zwei Birnchen, zwei Klingeldruckknopfschalter und dreiadrigen Verbindungsleitungen steuern. Natürlich kann man durch Mithören während der Aufnahme den Umschaltpunkt bekommen, nicht aber den Start des Besuchenden.
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Mikrofonwahl und Mikrofonaufstellung
1. Mikrofonwahl: Für (Aussen) nehmen wir des genaueren Richtungseindrucks wegen ein Mikrofon mit Nierencharakteristik und als (Innen) - Mikrofon für die Zimmer- und Gesprächsatmosphäre eines mit Kugelcharakteristik. Für (Innen) kann jedoch auch Nierencharakteristik günstig sein, wenn das Zimmer zu viel Resonanz (häufig Tiefenresonanz) hat und wenn das Herkommen an den Ort des Gesprächs (Stühle, Tisch) deutlicher werden soll.
2. Mikrofonaufstellung: (Aussen) kommt neben die Türe, etwa 20cm über dem Boden, so, daß der letzte Schritt des Besuchenden direkt neben der Mikrofoneinsprechseite gemacht werden kann. Das Mikrofon zeigt genau in die Richtung, aus der der Besucher kommt.
Mikrofon (Innen) steht am Ort des Gesprächs ungefähr 1,20m bis 1,50m von den Sprechenden entfernt und - natürlich! - in Höhe der „Sprechorgane". Die verschiedene Lautstärke der Gesprächspartner ist durch den Sprechabstand auszugleichen. Wichtig ist, daß eine Unterhaltung bei einer Tonbandaufnahme stets so zu führen ist, daß alle Partner in Richtung Mikrofon sprechen! Jedes Wegwenden vom Mikrofon macht den Klang "indirekter" (huch, kann man das wirklich steigern), und bei Nierencharakteristik stimmt dann auch der Raumeindruck nicht mehr genau. „Herein!" kann mit etwas vom Mikrofon abgewandtem Kopf gerufen werden.
Aussteuerungspegel und Umblendpunkt
3. Aussteuerungspegel: Eine Probe wird schnell ergeben, daß alle Geräusche (Schritte, Anklopfen, Türgeräusche) zu stark kommen. (A) wird also vorsichtig auszusteuern sein. Klopfen und Türe sind vom Spieler (oder von einem Geräuschassistenten) so zu bemessen, daß sie richtig kommen. Beide Pegel, (A) und (I), müssen durch einige Proben genau festgelegt werden. Während der Aufnahme soll an der Aussteuerung nichts mehr geändert werden!
4. Umblendpunkt: Bei diesem Beispiel muß - im Unterschied zu dem vorigen - von (A) nach (I) am Mischpult umgeblendet werden.
Dieser Umblendpunkt (wann?) ist für die „Dramaturgie" der Szene wichtig und in der Handhabung (wie?) kritisch. Wann wird umgeblendet? Vor oder nach dem Anklopfen, nach dem öffnen oder gar erst nach dem Schließen der Türe?
Den richtigen Zeitpunkt wird man finden, wenn man von der Funktion des Anklopfens ausgeht. Jedes Geräusch in einer Hörszene (übrigens auch, wenn man sie richtig einsetzen will, die Musik) muß eine Funktion haben, sonst ist es unnötig.
Die Mikrofone umblenden
Es ist in unserem Fall eindeutig, daß das Anklopfen den Raum (I) in Betrieb setzt. Es ist nicht „Kulisse" oder dekorative Veranstaltung des Besuchenden, sondern es soll von dem im Zimmer sich Befindenden gehört werden und ihn und den Raum (I) ins Spiel bringen.
Umgeblendet wird deshalb dann, wenn der Besuchende an der Türe angelangt ist. Er muß aber mit dem Anklopfen einen kleinen Augenblick warten, damit die Technik den Schaltvorgang vollziehen kann. Denn der hat einen sehr kritischen Punkt.
Wie wird umgeblendet? Umblenden ist ein Vorgang mit zwei gegensätzlichen Phasen: Mikrofon (A) muß weg und Mikrofon (I) muß rein.
Der Kreuzungspunkt zweier Schieberegler
Wenn man nun, wie das bei Anfängern eigentlich immer geschieht, beide Regler am Mischpult gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung dreht oder zieht, so ergibt sich ein kritischer Kreuzungspunkt. An diesem Punkt ist (A) schon fast weg, aber (I) noch nicht voll genügend da. Die Aufnahme hat an diesem Punkt eine raumtote Stelle. Um das zu vermeiden, muß man so verfahren: Neuer Raum (I) fast ganz (oder ganz) rein, dann erst alter Raum (A) weg.
Wenn man nur ein Mikrofon hat
5. Mit einem Mikrofon läßt sich diese Szene nur durch zwei getrennte Aufnahmen machen, die man nachher durch Schneiden und Kleben aneinander montiert. Man muß dabei aber auf den kontinuierlichen Übergang von einer akustischen Ebene auf die andere (weiche Blende) verzichten und beide Räume unmittelbar nebeneinander setzen (harte Blende).
Dieses Modell läßt sich in vielen Varianten durchspielen. Will man anstelle des Anklopfens eine Klingel verwenden, so wird die Technik noch interessanter und schwieriger. Im Hörspielbetrieb hat man dafür das Klingelbrett. Auf ihm sind verschiedene Klingeln und Summer einschaltbar montiert. Durch Abdecken mit Holz-, Papp- oder Plastikschachteln und durch Ändern des Abstandes vom und der Richtung zum Mikrofon (I) läßt sich der genaue Raumeindruck des Klingelzeichens erreichen. Man kann auch ein aufgenommenes Klingelsignal nachträglich in die Aufnahme hineinmontieren. Erweiterungen bis zu einem richtigen Stegreifspiel sind ebenfalls möglich.
Am Beispiel eines Stegreifspiels
So kann man z. B. mit (I) beginnen. Zimmer mit Ehepaar etwa. Unterhaltung über ungestörten, gemütlichen Sonntagnachmittag. Dann (A). Besuch kommt, vielleicht zweites Ehepaar. Gespräch beim Kommen, auf die zu Besuchenden (kritisch) bezogen. Fortsetzung folgt - nach dem Modell.
Die viel gebrauchten Grundmodelle sind übertragbar
Unsere ersten beiden Etüden sind einfache, aber viel gebrauchte Grundmodelle. Es gehört zum Wesen von solchen Modellen, daß sie übertragbar und variabel sind. Man erfinde solche Varianten und spiele sie durch.
Man wird diesen Modellen immer wieder, z. B. in der Hörspielliteratur, begegnen. Man suche einige Variationen und versuche, sie auch zu realisieren. Außerdem übe man sich auch im Erkennen der Modelle beim Hören von Funksendungen.
Bevor wir weitermachen, muß ich noch zwei Dinge zur Arbeitsweise sagen:
1. Jedes Modell besteht aus mehreren Ablaufphasen, die - besonders an den kritischen Stellen - wiederholte Vorversuche zur sicheren Beherrschung und zur genauen Einübung erfordern.
2. Man befasse sich mit jeder Aufgabe so lange, bis man eine optimale Lösung erreicht hat. Es ist ein typisches Merkmal von Dilletantismus, sich zu schnell und mit ungenügenden Lösungen zufrieden zu geben. Gerade auf unserem Gebiet läßt sich durch Probieren und immer wieder Probieren des sprachlichen, spielerischen und technischen Ablaufs in Verbindung mit wiederholtem, äußerst kritischem Abhören eine viel bessere Qualität erreichen, als man sie allenthalben vorgesetzt bekommt.
Kapitel III. Text auf Textfolie
Die nächste Etüde hat ebenfalls zwei Ebenen, die jetzt aber anders aufeinander bezogen sind. Beide sind zwar im selben Raum, haben aber unterscheidbare, doch einander ergänzende Funktionen.
Hintergrund (H) und Vordergrund (V) unterscheiden
Die eine Ebene ist ein folienartiger Hintergrund (H), im ganzen homogen, unter Umständen diffus, doch beileibe nicht unprofiliert. Von diesem Hintergrund heben sich Einzelheiten präziser ab, oder anders ausgedrückt: vor dieser Folie sollen wichtigere Dinge als Vordergrund (V) genauer in Erscheinung treten. Die beiden Ebenen sind also gleichzeitig und im selben Raum vorhanden. Sie müssen übereinander gelagert, aufeinander geschichtet werden.
Wir wollen diesen Fall als Textbeispiel (eventuell noch mit einer zweiten, einer Geräuschfolie dazu) durchspielen. Er läßt sich aber auch auf Musikaufnahmen anwenden, wenn man aus einer Begleitung (H) Solisten (V) herausholen muß.
Unsere (H)-Folie ergibt sich aus vorbeihuschenden Gesprächsfetzen von sich unterhaltenden Passanten auf einer Straße. In unregelmäßigen Abständen sollen einzelne knappe, in den Themen festgelegte Dialoge deutlich zu verstehen sein (V).
In zwei Verfahren realisieren
Zur technischen Realisation gibt es zwei Verfahren. Man kann a) mit zwei Mikrofonen (H) und (V) gleichzeitig aufnehmen. Es geht aber auch so, daß man b) zwei getrennte Aufnahmen macht und nachher mischt.
Das Verfahren (a), das zuerst beschrieben werden soll, nennt man akustische Mischung.
a) Akustische Mischung
1. Mikrofonwahl und -aufstellung: Für beide, (H) und (V), ist Nierencharakteristik günstiger, weil damit das Näherkommen und das Sichentfernen deutlicher wird. Die Raumakustik muß so trocken wie eben möglich sein. Für die angedeutete Musikaufnahme kann Mikrofon (H) Kugelcharakteristik haben. Bei Nierencharakteristik wird der Begleitpart zwar durchsichtiger, nur muß man dann bei mehreren Begleitinstrumenten mindestens zwei Mikrofone dafür haben. Doch zurück zu unserem Beispiel. Das (V)-Mikrofon steht etwa 4 bis 5m vom anderen entfernt, die Einspracherichtung ist dem Spielraum (H) abgewandt.
2. Ablauf: Mindestens 8 Leute gehen in Zweier- und Dreiergruppen mit verschiedenem Tempo und sich unterhaltend in einem großen Kreis um das (H)-Mikrofon. Ab und zu macht eine Gruppe einen größeren Bogen, so daß sie am (V)-Mikrofon vorbeikommt. Das Gespräch dieser Gruppen ist so anzulegen, daß die entscheidenden Sätze gerade in Höhe des (V)-Mikrofons gesprochen werden.
3. Aussteuerung: Der (V)-Pegel muß etwas über dem (H)-Pegel liegen. Der Anfang wird langsam ein-, der Schluß ebenso ausgeblendet. Die richtige Dosierung des (H)- und des (V)-Anteils ist auch hier natürlich wieder mit einem Abhörlautsprecher (bei getrenntem Aufnahme- und Technikraum) oder Abhörkopfhörer besser zu machen.
4. Weiterverarbeitung: Zu der Aufnahme (H) + (V) kann noch eine weitere Folie hinzukommen, die man durch Aufnahme von Straßengeräuschen erhält. Beim Mischen ist diese am schwächsten auszusteuern. Auch für die Sprecher kann das Spiel besondere Aufgaben bekommen. So könnten die (V)-Gespräche das banalste aller Themen haben, das Wetter. Aber: in jedem darüber geäußerten Satz muß der Sprecher eine bestimmte menschliche Verhaltensweise (Erwartung, Abgespanntsein, Wut u. a.) hörbar werden lassen.
Für die Techniker ergäbe sich eine besonders reizvolle Variante aus dem Thema Kaffeehaus. Die Sprecher sitzen in kleinen Tischgruppen verteilt. Mit einem an einer langen Stange befestigten Mikrofon, einer sogenannten Angel, sind einzelne Tischgespräche in den Vordergrund zu holen.
Zusätzliche Folien ergeben sich leicht aus dem Thema (Tassen und Löffel, Kommen und Gehen, der Herr Ober, Musik). Zuschauer bei einem Fußballspiel und manches andere Thema ergeben weitere Variationen.
b) Getrennte Aufnahme
Das Verfahren (b), zwei getrennte Aufnahmen (H) und (V) und nachträgliche Mischung, ist leichter zu machen. Es geht allerdings nicht für Musikaufnahmen.
Für unsere Spielthemen aber hat es einige Vorteile. Die einzelnen Spielphasen können präziser angelegt, besser durchge-form und auch korrigiert werden. Bei der Überlagerung durch Mischen lassen sich die Anteile genauer dosieren.
Die Überschriften der drei dargestellten Modelle sind nur Arbeitstitel. Tontechnisch müßten sie so formuliert werden:
- I. Einblenden eines zweiten Raumes.
- II. Umblenden von einem Raum in einen anderen.
- III. Überlagerung zweier akustischer Ebenen.
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
tonband - Heft 3 • August 1966 • 3. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Teil 2)
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
Tonbandaufnahmen werden - das klingt sehr banal, wird aber häufig vergessen - zur Wiedergabe über Lautsprecher gemacht. Sie können also nur durch fixierte akustische Elemente wirksam werden. Man hat diese Reduzierung auf die „Einsinnigkeit" des Nur-Hörbaren in der Anfangszeit tontechnischer Gestaltung als Mangel angesehen.
Die Entwicklung des Hörspiels hat jedoch sehr bald schon deutlich gemacht, daß in dieser Einsinnigkeit eine besonders starke Wirkungskraft steckt. Akustische Signale (Wort, Geräusch, Klang) regen, wenn man wirklich hört und sich nicht nur akustisch berieseln läßt, unsere Vorstellungskraft an. Aus den Höreindrücken entstehen mit Hilfe unserer „Einbildungskraft" Gesamtvorstellungen. Die bisher beschriebenen Modelle sind dafür Beispiele.
Als Beispiele zwei klassische Hörspiele
Zum weiteren Studium dieses grundlegenden Phänomens sei auf zwei schon als klassisch zu bezeichnende Hörspiele hingewiesen.
Da ist das erste Hörspiel überhaupt, das im Jahre 1923, dem Anfangsjahr des Rundfunks, entstandene Stück „A comedy of danger" von Richard Hughes. In der deutschen Übersetzung des englischen Werkes heißt der Titel „Gefahr". Hughes schaltet durch einen Kurzschluß bei einem Bergwerksunglück kurzerhand die Optik aus in der falschen Meinung, daß die reduzierten Möglichkeiten des Rundfunks (nur akustische Wirksamkeit) auch eine reduzierte Situation des Stückes bedingten. -
Wenige Jahre später ist „Der Narr mit der Hacke" von Eduard Reinacher entstanden und vom WDR realisiert und gesendet worden. Dieses Hörspiel (formal ist es eine Funkerzählung) findet man in dem Piper paperback „Dreizehn europäische Hörspiele". Reinacher verfuhr gerade umgekehrt als Hughes. Er rechnete bei der Konzeption seines Stückes von vornherein mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Rundfunks, d. h. eben der Tontechnik. Es war zur Zeit der Erstsendung 1930 sicher verblüffend, wie es Reinacher - bzw. der "Bandaufnahme" (??? Anmerkung : Eine Bandaufnahme schon in 1930 ?? Ist mir da etwas engangen ??? Das AEG K1 war erst 1935 fertig !) seines Stückes - durch einen nur auf das Hören angelegten Text, durch Raumeindrücke, Geräusche und Musik gelang, die Vorstellungskraft und die Einbildungsfähigkeit der Hörer anzusprechen.
Reinacher hat zudem in seinem Stück Darstellungsweisen angewandt und zum ersten Mal in einer künstlerischen Form integriert, die die Entwicklung besonderer Hörformen eigentlich erst ermöglicht haben. Das sind vor allem zwei - soll man sagen? - Kunstgriffe: das Hörbarmachen des sonst nicht Hörbaren (innere Stimme des Gewissens) und das Gegenwartwerden der noch nicht bewältigten Vergangenheit (Rückblende). Das heißt für die tontechnische Realisation: Montage aus mehreren akustischen Ebenen; geistig aber bedeutet das: weitgehendes Aufheben der Grenzen von Zeit und Raum.
Man verzeihe mir diesen Exkurs!
Tatsächlich ist er nur dem Anschein nach eine Abschweifung. Denn der Zweck dieser Zeilen ist ja nicht der, nur ein paar technische Rezepte anzugeben. Sie sollen vielmehr Hinweise und Anweisungen vermitteln, wie man Geräte und Verfahrensweisen der Tontechnik als Instrumente der Gestaltung (im Sinne musischer, künstlerischer Aussagen) verwenden und handhaben kann (siehe auch die Einleitung in Heft 1/66).
Welche akustischen Elemente stehen zur Verfügung ?
An akustischen Elementen stehen uns zur Verfügung:
- Wort (als Text = Inhalt und als Stimme = Persönlichkeit),
- Geräusch (real oder stilisiert) und
- Klang (Musik traditioneller oder elektronischer Art).
Soll eine aus ihnen komponierte (wörtlich übersetzt = zusammengesetzte) Form nicht kitschig werden, sondern echte Qualitäten haben, so ist die Grundvoraussetzung dafür die, daß jedes dazu genommene Element im ganzen eine Aufgabe, eine Funktion hat. Hat ein Element keine genau präzisierbare Funktion, ist z. B. das Geräusch nur Kulisse oder die Musik nur Stimmungsmittel, so verzichte man lieber auf seine Dazunahme. Das soll an weiteren zu beschreibenden Modellen aufgezeigt werden. Sie weisen außerdem noch deutlicher als die in der 1. Folge beschriebenen Modelle auf das Arbeiten mit einem genauen Ablauf-, Kompositions-, Struktur- oder Regieplan hin.
Kapitel IV. Text und (rhythmisches) Geräusch
Dieses Modell hat Ähnlichkeit mit unserer III. tontechnischen Etüde „Text auf Textfolie". Dadurch, daß ein neues akustisches Element, das Geräusch, hinzutritt, bekommt es aber einen andersartigen, eigenständigen Charakter.
Als Beispiel nehmen wir ein Gedicht des Spaniers Federico Garcia Lorca, der vor allem mit seinen Theaterstücken in die Weltliteratur eingegangen ist. Wir geben dieses Gedicht zum besseren Verständnis zunächst im vollen Wortlaut wieder (mit freundlicher Genehmigung des Insel-Verlags, Frankfurt am Main, in der Übertragung von Enrique Beck):
"REITERLIED"
Cordoba. Einsam und fern.
Nachtschwarze Stute, Diskus
des Monds, Oliven im Sacke
am Sattel. Wohl weiß ich die Wege,
doch Cordoba sehe ich nie.
Durch Wind, durch die Ebene,
nachtschwarze Stute, purpurner
Mond. Von Cordobas Türmen
starrt mich stechend der Tod an.
Ach, welch ein endloser Weg !.
Ach, meine wackere Stute !
Ach, mich erwartet der Tod,
eh ich nach Cordoba komme!
Cordoba. Einsam und fern.
a) Text
Die Zeile „Cordoba, einsam und fern" umschließt wie ein Rahmen die drei Strophen des Reiterliedes. Sie wird von einem kleinen Sprechchor ausgeführt und nach (b) durch Geräuschrhythmen intensiviert. Sie ist keineswegs nur geographischer Hintergrund, sondern eher untergründiges Faktum, Symbol des Todes, über das der Reiter reflektiert.
Die Chorzeile könnte daher - durchweg gesprochen oder noch besser nur als abstrahierter Rhythmus - wie ein Ostinato (hartnäckig wiederkehrende Formel) unter den solistisch gesprochenen Strophen des Reiterliedes liegen, deutlich in Text und Rhythmus, unheimlich monoton, aber leiser als der Liedtext, immer dasselbe wiederholend. Sie könnte als gliederndes Moment nicht nur zum Anfang und zum Schluß, sondern auch zwischen den Solostrophen auftreten.
Für die Aufnahme des Textes braucht man zwei Mikrofone; mit nur einem Mikrofon wird die Chorzeile zu verschwommen im Hintergrund bleiben. Der Solist muß direkter, persönlicher und etwas stärker ausgesteuert genommen werden als der Chor. Man kann das durch ein nah (aber nicht zu nah) besprochenes Mikrofon mit Kugeicharakteristik in einem relativ trockenen Raum erreichen.
Der Chor kommt seinem Charakter entsprechend besser über ein Nierenmikrofon. Damit er nicht durch das Kugelmikrofon verfälscht wird, stellt man ihn weit weg vom Solisten und hängt vor ihn in der Richtung zum Kugelmikrofon Decken oder Schaumgummiplatten auf. Selbstverständlich steht das Nierenmikrofon so, daß seine gedämpfte Seite zum Solisten zeigt.
b) Geräusch
Zum Text kommt nicht etwa Pferdegetrappel, sondern etwas ganz anderes, nämlich das Aufnehmen, Betonen und Weiterführen der Chorzeile als rhythmisiertes Geräusch im Sinne des erwähnten formelartig intensivierenden Ostinatos. Die Zeile hat einen Dreierrhythmus (siehe Grafik).
Wir realisieren diesen Rhythmus durch drei dunkel und stumpf klingende Geräusche verschiedener Tonhöhen, z. B. erzeugt mit Tonbandgerätedeckel, Tisch- oder Stuhlplatte, Holzkiste u. a., mit den Fingerknöcheln angeschlagen. Das erste Geräusch (G1) spielt die ganze Zeile, das tiefere, G2, setzt einen Takt später ein und das noch tiefere, G3, kommt im letzten Viertel des zweiten Taktes hinzu. Vom Text her kann man auch umgekehrt vorgehen:
"Cordoba" alle drei Geräuschfarben, „einsam" nur noch zwei und „und fern" nur noch eine Farbe. Oder: „einsam" nur eine, „und fern" zwei Farben. Das „Geräuschorchester" kann ein eigenes Mikrofon bekommen; es können aber auch Sprecher der Chorzeile die Geräuschrhythmen mit übernehmen.
c) Ablauf
Man stellt sich eine genaue „Partitur" zusammen (Regiebuch), in der rechts, untereinandergeschrieben, die Chorzeilen vor, zwischen und nach den Solostrophen und die nötige Anzahl von Wiederholungen des Geräuschrhythmus stehen. Links daneben schreibt man in Höhe der genauen Einsatzstellen die Solostrophen.
Das Ganze läuft dann so ab: Chorzeile und Geräuschrhythmus beginnen gemeinsam. Rhythmus läuft gleichmäßig (ostinat) weiter. Nach einer oder zwei Wiederholungen des Ostinato (nur als Geräusch) setzt die erste Solostrophe ein. Nach der Strophe ist der Geräuschrhythmus einmal allein hörbar, die Chorzeile kommt bei der nächsten Wiederholung dazu, Geräusch noch einmal allein, dann erfolgt zur nächsten Wiederholung der Einsatz der zweiten Solostrophe. So geht es weiter, bis die Chorzeile mit dem Geräuschrhythmus abschließt.
Den ganzen Ablauf leitet ein „Dirigent".
Die Gefahren solcher gesprochenen und gespielten Ostinatorhythmen sind:
1. Sie werden zunehmend schneller und oft auch lauter.
2. Sie nützen sich ab, langweilig, weil die Intensität der Sprecher und Spieler nachläßt.
Die moderne Literatur bietet viele Beispiele, auf die das beschriebene Modell anwendbar ist. Oft kann das Geräusch ohne Rhythmisierung als diffuse Folie unter einem Text liegen. Die Folie kann im Klang (den Geräuschfarben) gleichbleiben, sich verändern oder durch dazutre-tende neue Geräusche punktuell an bestimmten Stellen akzentuiert werden.
Anfänger sind geneigt, dabei gerne zuviel des dann eben nicht mehr Guten zu tun! Das Zuviel betrifft sowohl die Menge als auch die Lautstärke (und die Aussteuerung) der Geräusche. Je sparsamer und zugleich charakteristischer und intensiver Geräusche „sitzen", je stärker ist die Wirkung im Sinne der eingangs besprochenen gegenseitigen funktionalen Ergänzung der akustischen Elemente!
Kapitel V. Geräuschverfremdung
Bei einer rein methodischen Darstellung müßte dieses Modell erst später kommen. Es ist mir aber daran gelegen, den Lesern nach der im gestalterischen Sinne strengen Form des Lorca-Gedichtes nun eine mehr spielerische und stärker technische Aufgabe anzubieten.
Zudem ist das Thema Geräuschverfremdung praktisch unbegrenzt variabel, aus- und aufbaufähig, so daß nach diesem Modell beliebig viele kleinere und größere Kompositionen realisiert werden können.
Gemeint ist mit dem Thema die Veränderung, Verwandlung, Verfremdung (nach Bert Brecht!) von aufgenommenen Geräuschen, musikalischen Klängen, Geräusch- und Klangfolgen (Reihen) durch rein tontechnische (elektronische) Verfahren.
Werden die Aufnahmen so sehr verwandelt, daß ihr Ursprung nicht mehr erkennbar ist, so ergibt sich neues, mit Musikinstrumenten traditioneller Art nicht mehr erzeugbares Klangmaterial, das zu Kompositionen nach modernen musikalischen Prinzipien verwendet werden kann. Das Ergebnis wird - nach Pierre Schaeffer, Paris 1947 - Musique Concrete genannt und ist eine wichtige Form der heutigen Musik geworden.
Zu den dafür notwendigen tontechnischen Verfahren gehören:
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- a) Oktavtranspositionen und damit gekoppelte Tempoverdoppelung, -halbierung usw. (Umschneiden, Kopieren mit anderer Bandgeschwindigkeit)
- b) Krebsgang (Umschneiden bei rückwärtslaufender Aufnahme, mit Stereo- und Vollspurgeräten möglich)
- c) Dynamikvariation (Beeinflussung der Lautstärkeunterschiede beim Umschneiden)
- d) Veränderung des Klangspektrums (Verzerrung durch Höhen- und Tiefenregler, Siebung durch elektrische Filter)
- e) "Verwitterung" (falsch, muß Veritterung heißen !!) (Mehrfachecho durch wiederholtes Aufsprechen desselben Signals bei getrennten Aufnahme- und Wiedergabeköpfen)
- f) Verhallung (Veränderung des Raumanteils mit Hallraum, Hallplatte oder Hallspirale)
- g) Reihung und Schichtung mehrerer Elemente durch Montage (Cutten und Mischen)
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Als Versuch eine "Folie" herstellen
Als ersten Versuch einfachster Musique Concrete wollen wir eine Folie aus verfremdeten Geräuschen herstellen.
a) Konzeption
Die Folie soll aus zwei gegensätzlichen Elementen bestehen:
1. aus einem Geräuschteppich, in den
2. einzelne Geräuschpunkte hineingesetzt werden.
Eine Verbindung zwischen (1) und (2) wird dadurch erreicht, daß zur Erzeugung beider Elemente dieselben Geräusche verwendet werden.
Zu (1): Der Geräuschteppich soll im Klangcharakter hoch sein, rhythmisch ganz ungegliedert, diffus erscheinen und in seinem Ablauf eine zunehmende Verdichtung aufweisen.
Zu (2): Die punktuellen Elemente sollen dagegen tief klingen, dürfen aber auch keine rhythmische Gliederung haben, sollen jedoch als kleine, verschieden zusammengesetzte Gruppen vorkommen. Bei der Auswahl der Geräusche sind solche zu vermeiden, die sich mit anderen zu einem üblichen Dreiklangakkord ergänzen würden.
Graphisch läßt sich diese Konzeption wie in Bild 1 wiedergegeben darstellen. Die Zeiten sind in dem graphischen Schema willkürlich angenommen. Die Ziffern an den Strichen bezeichnen 5 gewählte verschiedene Geräuschfarben. Bei (1) denke man sich die Linien ganz unregelmäßig unterbrochen; ebenso sind die Zeitabstände der Striche bei (2) ungleich zu denken.
b) Realisation
(1): Für die 5 aufzunehmenden Geräusche kann man z. B. 5 verschieden hoch und in der Farbe unterschiedlich klingende Glasgefäße nehmen. Die besten Anschlagsweisen ermittle man durch Versuche. Tonhöhen lassen sich durch zugegossenes Wasser ändern. Das ergibt einen in der Farbe relativ homogenen Teppich. (Will man das nicht, so nimmt man eben 5 verschiedene Stoffe, Holz, Glas, Metall usw. zur Geräuscherzeugung.) Die Gläser werden - darauf sei noch einmal hingewiesen - so unregelmäßig wie möglich angeschlagen.
Zwei Gläser beginnen, die anderen treten nach dem Zeitplan hinzu. Die Aufnahme wird mit 4,75cm/s Bandgeschwindigkeit gemacht. Nun spielt man mit 19cm/s ab und kopiert auf ein zweites Gerät. So erfolgt eine Transposition um zwei Oktaven höher und auf vierfaches Abiauftempo.
Stehen nur zwei Bandgeschwindigkeiten zur Verfügung, so muß man die Transposition auf zwei Arbeitsgänge verteilen. Unter Umständen genügt schon eine einfache Transposition. Für zwei Minuten Folienlänge muß man bei doppelter Transposition 8 Minuten Geräusche aufnehmen, d. h. auch den Zeitplan entsprechend dehnen!
Die fertige Kopie wird genau am Anfang und Schluß geschnitten und, mit genügend grünem und rotem Vorspannband versehen, auf eine Extraspule gezogen.
(2): Dieselben 5 Geräusche werden noch einmal aufgenommen. Jetzt aber jedes für sich, in einzelnen Schlägen und mit der Bandgeschwindigkeit 19cm/s. Geräusch 1 und 2 braucht man nach unserem Schema viermal, 3, 4 und 5 je dreimal. Kopiert wird mit 4,75cm/s. Es ergeben sich also die umgekehrten Transpositionsverhältnisse wie bei (1). Bei weniger guten Geräten wird so allerdings auch der Rauschpegel erheblich erhöht.
Da der Nachhall der einzelnen Geräusche sehr verlängert wird, läßt sich u. U. das Konzeptionsschema nicht mehr einhalten. In diesem Fall (und auch, wenn das Stück kürzer werden soll) nimmt man für die Gruppen von (2) nur 1 bis 3 Punkte.
Jetzt wird geschnitten
Nun schneidet man die einzelnen Punkte samt Nachhall heraus. Man vergesse aber nicht, jeweils den Anfang zu markieren! Jetzt kann man Band (2) nach dem Schema zusammensetzen (kleben), wobei die fehlende Zeit (Nachhalldauer abstoppen!) durch Weißband ausgefüllt wird.
Eine Sekunde ist bei 19cm/s Bandgeschwindigkeit = 19cm Weißband! Man schneide und klebe mit peinlicher Sorgfalt, sonst hat man keine Freude an Band (2). (1) + (2): Man braucht die beiden Bänder nur noch zu mischen, und das Opus ist fertig! Das geschieht mit zwei Abspielgeräten, einem Mischpult und einem Aufnahmegerät. Während des Mischens lassen sich die Pegelanteile (Aussteuerung) von (1) und (2) variieren, so daß man auch noch die Dynamik verändern kann. Für den Start macht man sich an beiden Bändern und beiden Abspielgeräten Marken. Trotzdem wird der Schluß nicht auf Anhieb zusammen kommen. (Heimtonbandgeräte stimmen leider selten in der Bandgeschwindigkeit genau.) Durch Versetzen der Startmarke bei (2) erreicht man jedoch einen gemeinsamen Schluß. Natürlich darf der Nachhall des letzten Geräuschpunktes von (2) über den geplanten Schluß hinausklingen. Aus mehreren, in Struktur und Zeitdauer verschiedenen Folien läßt sich gut ein größeres Stück bauen. Gr.
tonband - Heft 4 • Dezember 1966 • 3. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Teil 3)
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
- Anmerkung aus 2017 : Wem der Teil 2 zu high sophisticated, also zu anspruchvoll war, der möge sich wirklich mal ein Hörspiel in HR2 oder WDR2 oder einem anderen Kultur-Programm anhören, Er wird erstaunt feststellen, daß da doch einiges dabei ist, worüber wir uns nie Gedanken gemacht hatten. Auch die Kunstkopf- Demo- Hörspiele waren von erlesener technischer, inhaltlicher und didaktischer Qualität. Wir Hifi-Fans haben damals diesen Hörspielen andächtig gelauscht, uns aber nie ernsthaft mit der speziellen Stereo-Regie usw. beschäftigt.
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Kapitel V. Text und Musik (falsch, muß Kapitel VI sein)
Die „Unterlegung" von Texten mit Musik ist zwar sehr beliebt, aber meist auch sehr kritisch. Vergleiche die Einleitung zu (2) in Heft 3/66. Sehr zu empfehlen ist für solche Kopplungen auch die Lektüre von Heft 4 der im Chr. Kaiser Verlag, München, erschienenen Reihe „tonbandpraxis".
Darin stehen grundlegende und erwägenswerte Gedanken zur Funktion von Bild, Wort und Klang. Außerdem sind Schemata angegeben, die über die bloße Kopplung hinaus zu integrierten Kompositionsstrukturen führen.
Eine „passende" Musik zum Text suchen
Im allgemeinen sucht man sich zu einem Text eine „passende" Musik. Zu einem Text paßt aber eine Musik nur, wenn sie eigens für ihn komponiert ist.
Sonst gibts unweigerlich Phasen-, Akzent- und inhaltliche Entsprechungsverschiebungen, die ein Ausblenden der Musik an ganz unverantwortbaren Stellen erfordern. Besser wird die Kopplung gelingen, wenn Text und Musik nur als jeweiliges Ganzes formal oder inhaltlich aufeinander bezogen werden können. Ein solches Beispiel soll heute beschrieben werden.
Ein Versuch, ein poetisches Opus ohne literarischen Anspruch
In einer Zeitung habe ich einmal ein Gedicht eines Unbekannten gefunden. Es eignet sich für einen übungsmäßigen !!! Versuch ganz gut, weil es nämlich als poetisches Opus keinerlei literarische Qualität hat (Tanztee). Literarische Qualität ist ja eigentlich auch für folgende Demonstration nicht nötig.
Beispiel "Tanztee"
Der Blick, der Kuß im Tanzmilieu:
Zwei Herzen geben Morsezeichen.
Gespräch und Schweigen, Bruch und Bö;
Ob wir einander ganz erreichen?
Vom Tee zum Tanz! Der Spuk vergeht.
Es wiegen uns im Traum die Runden.
Zwei Herzen und ihr Alphabet:
Verliebt, entzweit und froh verbunden.
Ein Studium im Tangoschritt:
Zwei Augen, Rätsel, schwer zu lösen;
Im Braun das Grün des Malachit.
Das Herz: Geheimnis im Seriösen.
Gesang und Stimme - Melodie -
Ob wir einander jemals nahen ?
Zum Wunsch „ein Glück in Harmonie"
Die Lösung: prüfen und bejahen!
a) Text
Vom Inhalt her kann man das Gedicht als Äußerung von Gedanken während eines Tanzes auffassen. Der Text muß daher verhalten, intim, ruhig, mit Pausen des Nachdenkens (Zeitdauer je Strophe: nicht unter 15 Sekunden!) und vor allem ohne jedes falsche Pathos gesprochen werden. Natürlich ist Gefühl drin, aber das steckt schon in den Worten und braucht nicht erst noch extra hineingelegt zu werden.
b) Musik
Sie wird vom Text geradezu gefordert. Sie hat eine deutliche Funktion: akustisches Zeichen des Tanztees, des Tanzmilieus. Sie ist eigentlich primär, da solche Gedanken, wie sie der Text äußert, erst sekundär in den hörbaren Tango hineingesprochen werden.
Wo bekommt man den Tango her? Von einer Schallplatte? Bitte, wenn es gar nicht anders geht und - wenn die Gema-Gebühren bezahlt sind. Besser ist es, auch wenns nicht so parfümiert klingt wie eine kommerzielle Plattenaufnahme, wenn man einen Musikanten hat oder findet, der einen Tango auf einem Klavier, einer Gitarre oder gar auf einem Cembalo improvisieren kann.
c) Ablauf
Er richtet sich nach der gestoppten Zeitdauer (9 Sekunden) des Tangos. 120 bis 150 Sekunden wären gerade richtig. Sonst sind die Pausen zwischen den Textstrophen etwas lange. Das heißt, die Textstrophen werden, jede für sich und auch abgestoppt, in den ablaufenden Tango hineingesprochen.
Aber wie koppeln wir nun? Musik einblenden, wenn der Text kommt Musik zurückblenden, in den Pausen wieder hochziehen usw.? Auf keinen Fall!
Diese schmalzige Tour der sogenannten weichen Blende würde die primäre Aufgabe der Musik aufheben. Also so: Die Musik fährt zuerst ab; sie wird so ausgesteuert, daß sie kräftiger ist als eine bloße Stimmungshintergrundskulisse, aber auch nur so stark, daß der Text bei verhaltenem Sprechen verständlich bleibt. Das ergibt den in der graphischen Darstellung gezeigten Ablaufplan (Kompositionsstruktur, Regiebuch!).
d) Realisation
Man braucht zwei Tonbandgeräte, eine Aufnahme- und eine Abspielmaschine.
Auch bei Benutzung einer Schallplatte empfiehlt es sich, den Tango auf Band umzuschneiden. Dazu kommt ein Mikrofon und natürlich ein Mischpult. Den Ablauf regelt ein „Regisseur" mit dem Plan und der Stoppuhr.
Die Einsatzzeichen, die er dem Sprecher gibt, müssen so rechtzeitig kommen, daß noch Zeit zum Atmen ist. Technik und Regisseur hören über Kopfhörer mit. Arbeitet man - was anzustreben ist - in zwei getrennten Räumen, so ist die Mischungskontrolle über einen Abhörlautsprecher wesentlich besser. Der Regisseur muß aber in diesem Falle eine Kopfhörerleitung in den Aufnahmeraum bekommen.
Man steuert zuerst den Sprecher aus, nicht zu hoch und mit „Atmosphäre" durch etwas Raum. Dazu zieht man den Mikrofonregler am Mischpult voll auf und legt den Pegel (x + y) durch den Aussteuerungsknopf am Tonbandgerät fest.
Dann läßt man zu dem pausenlos weiter Sprechenden den Tango starten. Dessen für richtig gehaltene Lautstärke (x) wird natürlich am entsprechenden Regler des Mischpultes festgelegt. Der Aussteuerungsknopf am Gerät darf als Summenregler dann nicht mehr verändert werden!
Ist man mit den Geräten im Sprecherraum, so kann man den Mikrofonregler wegen der Startgeräusche (der Bandmaschine) erst nach dem Abfahren des Tangobandes aufziehen. Dieses Band muß übrigens ein bis zwei Sekunden vor dem Tangoeinsatz gestartet werden, damit man den Startknacks vermeiden oder später herausschneiden kann. Der Regisseur drückt den Knopf der Stoppuhr, wenn er den ersten Ton der Musik hört.
Es gibt noch weitere Texte zum Üben . . . .
Daß auch diese Übung ein Modellfall ist, braucht nur noch erwähnt zu werden. Texte, die sich so gestalten lassen, sind z. B. Weinhebers Gedichte der Sammlung „Kammermusik".
Als Musik, die man nach diesem Beispiel mit Text koppeln könnte, fallen mir gerade die Volksliedvariationen von Bela Bartok ein. Als Text nimmt man ungarische Volkslieder, die man in vielen Sammlungen in Übersetzungen findet.
Kapitel VI. Prinzipien für Musikaufnahmen (falsch, muß Kapitel VII sein)
Nach der Beschreibung einiger Gestaltungsmodelle soll jetzt ein besonderes Kapitel folgen, das von der Aufnahme von Musikwerken handelt. Hier lassen sich keine speziellen Grundformen darstellen, weil jede Aufnahme ein Spezialfall ist, abhängig von der Art des Werkes, der Besetzung, von den Ausführenden, ihrer Gliederung und Aufstellung und vom Aufführungsraum, seiner Hallkomponente, seinem Absorptionsgrad u. a. Aber:
Man kann drei klar unterscheidbare Prinzipien für Musikaufnahmen angeben. Diese Prinzipien haben immerhin dazu geführt, daß der Tonregie eine solche Bedeutung - nicht nur für gute Aufnahmen, sondern für die Musik selbst - zukommt, daß man heute allen Ernstes von einer tontechnischen Musikinterpretation spricht.
Selbstverständlich meine ich damit nicht die Tricks, die man anwenden muß, um dem oft völlig belanglosen musikalischen Inhalt von Schlagern, Schnulzen und sogenannter „moderner" Tanzmusik durch eine raffinierte tontechnische Verpackung einen Verkaufswert zu geben.
Aber davon spreche ich, daß es häufig z. B. bei vorbarocker und bei moderner Musik in einer Konzertaufführung gar nicht möglich ist, die vom Komponisten beabsichtigte Klang- und Linienstruktur überzeugend zu realisieren, deshalb nicht, weil die Klangintensität der verschiedenen Instrumente viel zu unterschiedlich ist und weil der Raum das musikalische Geschehen diffus verschwimmen läßt.
Hier erweist sich die Tonregie bei einer Aufnahme durch die am Mischpult genau präzisierbare Klangbalance als ein echtes Interpretationsmittel. Das Stereoverfahren muß ich allerdings ausklammern, weil das noch kompliziertere eigene Verfahrensweisen hat.
Grundlagen und Eigenschaften von Tonaufnahmen
Schon einmal habe ich auf die simple Tatsache hingewiesen, daß wir unsere Aufnahmen dazu machen, daß sie später gut und überzeugend über Lautsprecher wiedergegeben werden können.
Das Gerede „Mit dem Mikrofon den 'natürlichen' Klang einfangen" ist einfach dumm; denn nach einem Durchgang durch eine technische Apparatur kann am Ende keine „Natur" mehr herauskommen!
Ein Mikrofon ist keine Tiefkühltruhe a la Münchhausen, sondern ein elektroakustischer Wandler, ein Lautsprecher ist keine primäre, sondern eine sekundäre, künstliche Schallquelle, also wieder ein elektroakustischer Wandler.
Eine Lautsprecherwiedergabe von Musik muß einige klar feststellbare (u. U. sogar meßbare) Eigenschaften haben, damit sie überzeugend (in sich überzeugend und nicht nur als technische Abbildung) wirkt.
Eine Liste der wichtigen Parameter dieser Eigenschaften
Diese Eigenschaften sind deshalb zugleich die Parameter, die eine Aufnahme bestimmen. Die wichtigsten sind:
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- 1. Optimales Klangspektrum: Alle angespielten und alle als Obertöne mitschwingenden und die Klangfarbe bestimmenden Frequenzen müssen rausch- und verzerrungsarm wenigstens innerhalb der Hörbarkeitsgrenzen aufgezeichnet werden. Schlagwort heute: HiFi-Qualität.
- 2. Gut abgewogene Klanglinienstruktur: Sie entsteht aus den richtigen Anteilen der einzelnen Instrumente, Instrumentengruppen, Stimmen usw. Für 1. und 2. ist der terminus technicus Klangbalance gebräuchlich.
- 3. Durchsichtigkeit: Akustisch formuliert müßte es "Durchhörbarkeit" heißen; für dieses ungebräuchliche Wort nimmt man das weniger genaue "Hörsamkeit". Terminus technicus: "Präsenz". Sie hat zur Voraussetzung genügend große Anteile an Direktschall. Dazu muß man die Mikrofone in dem Radius um die Schallquellen aufstellen, in dem die Raumreflexion erst nach dem Direktschall ankommt.
- 4. Raumanteil: Zu einer Aufnahme gehört auch eine gewisse "Rauminformation", damit sie nicht zu trocken klingt und „Atmosphäre" hat. Terminus technicus: "Hallbalance".
- 5. Dynamik: Darunter versteht man die mögliche Verarbeitung der originalen "Lautstärkeunterschiede". Die ganze musikalisch mögliche Dynamik kann man nicht verarbeiten. Je breiter die Tonspur ist, desto besser ist das dynamische Ergebnis.
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3 im Prinzip voneinander verschiedene Verfahrensweisen
Wir unterscheiden nun (die Stereophonie ausgeklammert) drei im Prinzip voneinander verschiedene Verfahrensweisen, die, gemessen an den aufgestellten fünf Kriterien, auch unterschiedliche Ergebnisse haben.
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A. Das Gesamtklangprinzip
Man kann es auch als monomikrofonales Verfahren bezeichnen. Mit einem einzigen Mikrofon versucht man, so gut wie möglich den fünf Parametern einer Musikaufnahme zu entsprechen. Welche Punkte man so besser erreicht und welche schlechter, ist leicht einzusehen. Dabei kommt alles auf den "Standpunkt" an, den des Mikrofons nämlich. In der Regel stellt man es (je nach Größe des Ensembles) 2 bis 4 Meter hinter dem Dirigenten (oder dem gedachten Dirigenten) auf.
Das Stativ zieht man 1 Meter bis 1,50 über den Dirigenten hoch und neigt das Mikrofon an einem Schwanenhals oder einem Stativgelenk so nach unten, daß man alle Ausführenden in einem guten Einsprachewinkel hat. Man muß probieren, das Mikrofon aus der Mittellinie zu rücken, wenn die ersten Geigen oder die Chorsoprane zu laut sind usw. Gute Ergebnisse erzielt man u. U. mit einem Mikrofon mit Kugelcharakteristik, das in einem angenommenen Mittelpunkt des Ensembles steht.
B. Das klangsynthetische Prinzip
Darunter ist das polymikrofonale Verfahren zu verstehen, bei dem mehrere Mikrofone in das Direktschallfeld der Instrumente oder Stimmen gebracht und deren Klanganteile am Mischpult sozusagen synthetisch zu einem Gesamtklangbild zusammengefügt werden.
- Anmerkung : Wir sind immer noch bei der Mono-Aufnahme !!
Hier wird man Mikrofone mit Nierencharakteristik verwenden und aufpassen müssen, daß durch richtige Aufstellung auf ein Mikrofon nur das gewünschte Instrument oder die gewünschte Gruppe kommt. Hat man nicht genügend Mikrofone oder nicht genügend Eingänge am Mischpult, so muß man die Ausführenden geschickt in sinnvolle Gruppen aufteilen.
Der Unterschied zum "Konzerthören"
Polymikrofonale Aufnahmen klingen außerordentlich direkt und intensiv. An ihnen wird besonders deutlich, daß eine tontechnische Aufnahme etwas anderes ist als das Konzerthören! Ist die Raumbalance schlecht, klingt also die Aufnahme zu trocken, muß man versuchen, den Mikrofonabstand zu vergrößern. Ein weitaus besseres Resultat erzielt man allerdings mit einem zusätzlichen, in größerer Entfernung aufgestellten oder aufgehängten Raummikrofon. Dafür eignet sich natürlich eine „Kugel" gut.
Eine gute Jazz-Aufnahme kann man nur nach diesem Prinzip machen. Schwierigkeiten bereitet dabei der Zupfbaß und - falls man den Spieler nicht davon überzeugen kann, daß man sein Schießbudenarsenal auch zum Musik- (nicht nur zum Krach-) machen gebrauchen kann - das Schlagzeug. Für den Baß muß man ein eigenes Mikrofon (eventuell mit S-Schalter als Baßblende) nahe am F-Loch aufstellen.
C. Das kombinierte Prinzip
Bei diesem Verfahren macht man sich die Vorteile der beiden anderen Prinzipien zunutze. Man arbeitet mit einem Hauptmikrofon, das den Gesamtklang aufnimmt. Beim Hineinhören während der Aussteuerungsprobe merkt man, daß bestimmte Instrumente oder Stimmen ungenügend oder nicht klar (präsent) genug im Gesamtklang integriert sind. Die bekommen dann Extramikrofone, sogenannte Stützmikrofone. Nach diesem Verfahren lassen sich bei guter Bedienung und ausreichender Erfahrung schon mit drei Mikrofonen durchaus passable Aufnahmen machen.
Über die Aussteuerung und den Summenpegel
Man vergesse bei der Aussteuerung nicht, daß der Summenpegel immer höher ist als jeder bei der Probe ermittelte Pegel der Einzelkanäle. Einer Übersteuerung kann man aber leicht begegnen, wenn man den Summenregler, d. h. den Aussteuerungsknopf am Tonbandgerät an einer forte-Stelle bei der Probe etwas zurück nimmt.
Man vergesse auch nicht, daß sich der Raumeindruck ändern kann, wenn mehrere Mikrofonkanäle oder gar alle aufgezogen sind. Auch der Anteil einzelner Gruppen kann sich bei weiteren aufgezogenen Kanälen ändern. Hier hilft nur ein Umstellen der Mikrofone und ein Auseinandersetzen der Ausführenden.
Man muß sich also immer vor der eigentlichen Aufnahme vergewissern, daß nicht nur der Einzeleindruck stimmt, sondern daß vor allem das Gesamtklangbild in Ordnung ist.
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Die Unzulänglichkeiten der Zeiger der Heimtonbandgeräte
Bei längerer Erfahrung kommt jeder auf den kritischen Punkt aller dieser Aufnahmeprinzipien: Die Aussteuerungsanzeige der Heimtonbandgeräte ist zu wenig logarithmisch (schwache Pegel müßten stärker angezeigt werden) und viel zu träge (kurze Pegelspitzen werden nicht oder zu spät angezeigt).
Soweit Geräte Zeigerinstrumente haben, kommt noch die fehlende Überschwingdämpfung hinzu. Es wäre an der Zeit, daß für fortgeschrittene Amateure ein nicht zu teurer Aussteuerungsverstärker auf den Markt käme. Ein solcher könnte z. B. ohne große Schwierigkeiten am Kopfhörerausgang betrieben werden.
Es gibt kein ideales oder richtiges Verfahren
Zum Schluß noch einmal: Das generell richtige Verfahren für Musikaufnahmen gibt es nicht. Je nach Art, Struktur und Klangeigenheiten des aufzunehmenden Werkes und der Ausführenden muß das Verfahren gewählt werden. Und: Die vielen Mikrofone allein machen es nicht! Immer noch dominieren bei jeder Aufnahme die Erfahrung und das Können des Mannes am Tonregiepult.
Gr. im Jahr 1966
tonband - Heft 1 • Januar 1967 • 4. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Teil 4)
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Kapitel VII. Die Hörszene (falsch, muß Kapitel VIII sein)
Hörspiele sind bei den Tonbandamateuren sehr beliebt. Im Grunde genommen mit vollem Recht, denn das Hörspiel ist ja eine eigene, charakteristische Aussage-und Gestaltungsform, die sich nur mit Hilfe tontechnischer Verfahren realisieren läßt.
In der Regel machen dabei Amateure alles selbst: Das Manuskript, Dialog- und Spielregie, die Aufnahmetechnik. Und in der Regel werden soviel Geräusche wie möglich eingeblendet und soviel Musikstücke (bzw. Fetzen davon) wie möglich unterlegt.
Das Ergebnis ist fast immer eine amüsante Hör-Spielerei; aber ein Hör-Spiel im Sinne der mit diesem Wort ausgesprochenen Kunstform kommt so nur in Ausnahmefällen heraus.
Will man zu brauchbaren Ergebnissen kommen, so wird man sich schon an „klassischen" Hörspielen orientieren müssen.
Ein wenig Abhören und auch Literatur kann nicht schaden
Viele davon liegen in zum Teil billigen Taschenbuchausgaben gedruckt vor. Man wird ferner fleißig die regelmäßigen Hörspielsendungen der Rundfunkanstalten abhören müssen.
Und man sollte auch grundlegende Literatur über diese künstlerisch so bedeutsam gewordenen Form studieren. Zu nennen wären da: Schwitzke, Das Hörspiel (Verlag Kiepenheuer und Witsch); Fischer, Das Hörspiel (Kröner Verlag); Frank, Das Hörspiel (Winter Verlag).
Da im Hörspiel Personen, Situationen und dramaturgische Abläufe fast stets primär aus dem Wort kommen, darf man keinesfalls Fragen der Sprache und des Sprechens außer Acht lassen. Dazu ist eben ein Buch (mit vielen Literaturangaben) erschienen: Polemann und Rössner, Sprache und Sprechen (Rhein-hardt Verlag).
Den Anspruch nicht zu hoch ansetzen
Für das Sich-Hineinarbeiten in diese Form fehlt es leider immer noch an qualifizierten kurzen Stücken, die sprachlich, regiemäßig und technisch den Amateur nicht überfordern.
Bewährt hat sich einiges aus Wilders „Einakter und Dreiminutenspiele" (s. Fischer Verlag), und gut geeignet sind auch einzelne Szenen aus Pörtner „Mensch Meyer" (Modernes deutsches Theater 1, Verlag Kiepenheuer und Witsch.) Bei einigem Suchen wird man sicher noch mehr Brauchbares finden. Es wäre gut und hilfreich, wenn die Leser dieser Zeitschrift ihre Erfahrungen mit diesem oder jenem Stück der Redaktion zur Auswertung mitteilen würden.
Unser Arbeitsbeispiel - von Wolfgang Borchert
Als Arbeitsbeispiel nehmen wir die Erzählung von Wolfgang Borchert „Nachts schlafen die Ratten doch". Sie steht sowohl im Gesamtwerk als auch in dem billigen ro-ro-ro Auswahlband. Borchert eignet sich für unseren Versuch allein schon deshalb, weil er eine besondere Neigung zur Hörform hat. Sein „Draußen vor der Tür" ist ja ursprünglich kein Theaterstück, sondern ein Hörspiel gewesen.
a) Das Manuskript
Nach mehrfachem lautem Lesen der Erzählung werden wir uns ein Textmanuskript für eine Hörform erstellen müssen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Wir lassen den Charakter der Erzählung. Ein sogenannter „Sprecher" erzählt die Geschichte, in die die Dialoge zwischen dem Jungen und dem Mann eingesetzt werden. Das ergibt eine sehr intensive Form, die man Funk- oder Hörerzählung nennt.
2. Es ist aber auch denkbar, daß man auf den Erzähler verzichtet und ein aus kleinen Dialogszenen bestehendes Hörspiel, macht. Dabei wird allerdings einiges von der typischen Atmosphäre der Geschichte wegbleiben müssen.
Geräusche gehören dazu oder nicht
Wenn man es wagt, den Originaltext ohne Verfälschung vorsichtig zu ändern (anfechtbar ist ein solches Wagnis immer), so kann man manches in die Dialoge hereinnehmen. Man wird sich beim Schreiben des Manuskriptes gleich überlegen müssen, ob und wo man Geräusche dazu nehmen will.
Bei der Hörerzählung wird man besser auf Geräusche verzichten, da ja der Erzähler alles schildert. Das Anstoßen an den Korb oder das Zuklappen des Messers z. B. sind ohne Erklärung gar nicht zu identifizieren. Wenn sie als Vorgang erzählt werden, haben sie zudem als Hörereignis
keine notwendige Funktion mehr. Bei einer reinen Hörspielfassung dagegen wird man - sehr sparsam dosiert - Geräusche zur Situations- und Vorgangscharakteristik schon eher gebrauchen können. Das Herankommen und Weggehen des Mannes etwa wäre ein brauchbarer Rahmen für die Dialoge.
Zwei Fassungen sind interessant
Für die technische Realisation sind beide Fassungen interessant: Die Hörerzählung durch die akustische Differenzierung Erzählraum-Dialograum, das Hörspiel durch die Dosierung der Geräusche im Dialograum. - Im Folgenden wird nur die Hörerzählung beschrieben, weil nur in dieser Form der Originaltext bewahrt bleiben kann.
Nach dem Textmanuskript fertigt man ein Regiebuch an. Es enthält vier Spalten:
- 1. Erzählertext,
- 2. Dialogtexte,
- 3. Regiebemerkungen und
- 4. Technik.
Selbstverständlich wird der Text fortlaufend geschrieben, d. h. Dialogtexte erst nach dem Erzählertext usw.
b) Sprech- und Spielregie
Für den Begriff Spielregie gibt es noch keinen brauchbaren Ausdruck bei reinen Hörformen. Gemeint ist die Regie des
dramaturgischen Ablaufs, der hier aus Stimmen und Räumen (akustischen Ebenen), aus Sprechweise und Stimmenvariationen, eventuell dazu aus integrierten Geräuschen und Geräuschfolgen, Klängen (Musik) und Klangfolgen aufzubauen ist.
Das erste wird sein, die Sprecher richtig herauszusuchen. Dazu werden sicher Probeaufnahmen erforderlich sein. Die Sprecher müssen sich nach Stimmlage und Sprechtemperament deutlich bei der Lautsprecherwiedergabe unterscheiden lassen. Der Erzähler wird von der Tonhöhe her eine mittlere Lage haben können und ruhig, mit anteilnehmender Wärme, aber ohne das so beliebte falsche Pathos sprechen müssen.
Der Mann bekommt die tiefe Sprechlage und sollte, ohne onkelhaft zu werden, den Jungen glaubwürdig von seinen 27 Kaninchen überzeugen können. Der Junge wird die hellste Stimme haben müssen. Er wird durchaus älter
sein können als seine neun Jahre, die er in der Erzählung hat. Er ist durch sein Erleben innerlich ja schon viel älter.
Spannung und Dramatik ins Regiebuches schreiben
Die Regie muß - nach eingehender Analyse und Vorbesprechung von Text- und Rollencharakteristiken mit Sprechern und Technikern durch den Spielleiter - zweierlei erreichen:
1. Das Gleichbleibende und trotzdem in der Spannung nicht Nachlassende der Erzählerstimme und
2. die innere Dramatik der nur scheinbar alltäglich-belanglosen Dialogsätze.
Tatsächlich passiert ja etwas Ungeheures hinter den Sätzen: Ein durch den in den Trümmern liegenden kleineren Bruder dem Tode verhafteter Junge wird durch die Kaninchen wieder am Leben interessiert. Das sollte hörbar werden.
Der Spielleiter macht sich seine Notizen in Spalte 3 des Regiebuches. So wird er z. B. neben den ersten Satz des Jungen „Jetzt haben sie mich!" in Spalte 2 hineinschreiben, wie der Satz zu sprechen ist: aufgeregt, geflüstert, resignierend oder sonst noch anders. Bei den in kurzen, zu bewältigenden Absätzen angelegten Sprechproben muß der Spielleiter sehr wachsame Ohren haben. Jeder noch so leise falsche Zungenschlag in den Dialogen und jedes leichte Abrutschen ins Pathetische beim Erzähler machen die Geschichte rührselig und verfälschen Borcherts Sprache.
c) Technische Realisation
Die Aufnahme - und damit die Wirksamkeit der Erzählung beim Hören - steht und fällt mit der Unterscheidbarkeit der Räume, d. h. mit der Elastizität der Sprechebenen oder der akustischen Differenzierung.
Dafür werden viele Vorversuche notwendig sein. Kann man studiomäßig in zwei getrennten Räumen (Aufnahmeraum und Technik) arbeiten, so wird man die beste Einstellung sehr viel rascher ermitteln können. Maßgebend für die richtige Anlage der akustischen Ebenen ist die Vorüberlegung, daß die Erzählerstimme verhältnismäßig warm kommen muß, die Dialoge dagegen, als im Freien stattfindend, so trocken wie möglich.
Absolute Freiluftatmosphäre ist bei der Fassung Hörerzählung nicht unbedingt erforderlich; es genügt schon, wenn die beiden Gesprächspartner merklich weniger Raum haben als der Erzähler.
Die Unterschiede bei den Stimmen herausstellen
Das ist durch folgende Maßnahmen zu erreichen:
- 1. Der Erzähler bekommt ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik, die Dialoge werden mit einem Nierenmikrofon aufgenommen. Falls an diesem eine Baßblende vorhanden ist, wird sie auf S (Sprache) gestellt.
- 2. Die Akustik des Raumes wird um die beiden Gesprächspartner herum durch aufgehängte Decken oder auf ähnliche Weise „trockengelegt". Überlegen muß man bei der Einrichtung des Raumes gleich, wie man den letzten Dialog (Weggehen und Nachrufen) machen will.
- 3. Da beide Mikrofone gleichzeitig (siehe weiter unten) am Mischpult aufgezogen sein müssen, muß man die zwei Sprechräume so im Zimmer verteilen, daß sie sich gegenseitig möglichst wenig stören.
- 4. Die Regelung der Aussteuerungspegel kann ebenfalls zur Differenzierung der akustischen Ebenen beitragen. Da in der beschriebenen Fassung der Charakter der Erzählung beibehalten wird, wird man wohl die Stimme des Erzählers etwas höher aussteuern. Vielleicht entscheidet sich der eine oder der andere auch für das umgekehrte Verfahren.
- 5. Mit dem Regler des Dialogmikrofones, gekoppelt mit einer allmählichen Änderung der Sprechrichtung, läßt sich auch der Schlußdialog (Weggehen - Nachrufen) machen. Gerade diese Stelle wird aber eine ganze Reihe von Sonderproben nötig haben.
- 6. Man kann zusätzlich noch im Dialograum differenzieren. Der Mann ist größer als der Junge, der ihm durch die Hosenbeine hindurch sehen kann. Er ist also mit der Stimme räumlich weiter „oben". Der Junge wird deshalb durchaus näher, dichter am Dialogmikrofon sein können, während der Mann etwas schräg und von oben her in die Einspracheöffnung des Mikrofons spricht. Bei Nierencharakteristik ergibt das schon deutliche Raumunterschiede.
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Die Aufnahmen in Etappen (takes) machen
Alle Einstellungen werden in Spalte 4 des Regiebuches eingetragen. Die Aufnahme kann man nach bewährtem Hörspielverfahren in Etappen machen. Dazu muß man natürlich (wie für die Proben) die Erzählung in kleine Teilszenen gliedern. So ergibt sich die besondere tontechnische Chance, jede Teilszene mehrfach aufzunehmen, von jeder die am besten gelungene sich herauszusuchen, herauszuschneiden (numeriert auf kleine Spulen gezogen) und aus diesen gewählten „takes" eine optimale Fassung zusammenzumontieren.
Allerdings müssen diese takes in Raum und Sprechweise genau aufeinander stimmen. Außerdem sollen natürlich bei der Montage keine Löcher entstehen. Falls Pausen korrigiert werden müssen, darf man dazu ja kein Leerband (oder gar Vorspannband) verwenden, weil das akustisch „tot" ist. Man muß dann ein mit dem Aufnahmeraum bespieltes Bandstück einkleben.
Erzählung und Dialoge müssen geübt werden
Bei genügenden Sprech- und Technikproben wird jedoch diese Erzählung durchaus auch in einem Aufnahmedurchgang zu schaffen sein. Man wird so eine größere Geschlossenheit erreichen. Da die Dialoge Teil der Erzählung sind, wird die
Einheit der Geschichte nur so zustande kommen, indem beides, Erzählung und Dialoge, miteinander aufgenommen werden.
Was sonst meist möglich und üblich ist, Szenen, die in einem Raum spielen, für sich, Szenen, in einem anderen Raum wieder alle für sich aufzunehmen und dann erst den richtigen Ablauf durch Schneiden und Kleben zusammenzusetzen, wird in diesem Fall nicht gehen, ohne den Fluß und die Geschlossenheit der Erzählung empfindlich zu stören. Ein Hörspiel in der beschriebenen oder einer beliebigen anderen Weise zu realisieren, macht es sehr deutlich, daß das nur geschehen kann im Zusammenspiel von Sprech- und Tonregie. Gerade dieses Zusammenwirken aber ist ein Beispiel für die so notwendige und fruchtbare Integration technischer Geräte und Verfahrensweisen in musisch-künstlerische Aussagen und Formen hinein. Gr.
tonband - Heft 2 • März 1967 • 4. Jahrgang
Tontechnik als Gestaltungsmittel (Teil 5)
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Ein Wort zuvor
von Dr. Erich Gruber, Dozent an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid, im Jahr 1966
Bevor ich mit der Beschreibung von Gestaltungsweisen fortfahre, möchte ich ein paar Punkte korrigieren. Gleichzeitig sollen damit neu hinzugekommene Leser auf die bisher dargestellten „tontechnischen Etüden" hingewiesen werden.
Ich hatte mich bei der Numerierung vertan
1. Bei der Numerierung ist ein Fehler unterlaufen. Die Ziffer V kommt zweimal vor! Die richtigen Nummern der Modelle sind:
- I. Akustische Gestalt eines Textes (Heft 2/66)
- II. Draußen - Drinnen (Heft 2/66)
- III. Text auf Textfolie (Heft 2/66)
- IV. Text und (rhythmisiertes) Geräusch (Heft 3/66)
- V. Geräuschverfremdung (Heft 3/66)
- VI. Text und Musik (Heft 4/66)
- VII. Prinzipien für Musikaufnahmen (Heft 4/66)
- VIII. Die Hörszene (Heft 1/67)
2. Im Augustheft 1966, Seite 55, ist in dem Notenbild zu „Cördoba" das zweite Viertel im ersten Takt unter dem Bindestrich zu viel! Das muß gestrichen und dafür das erste Viertel punktiert werden.
3. Im selben Heft steht unter V. e.) auf Seite 56 „Verwitterung". Seit der enormen Verbesserung der Herstellungsverfahren für Tonbänder verwittern Aufzeichnungen auf den Bändern zum Glück nicht mehr. Der unter V. e) gemeinte "terminus technicus" heißt Veritterung.
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Zum Thema : wir betrachten hier nur die Grundmodelle
Zum Thema Hörspiel müßte natürlich noch vieles gesagt werden. Aber das würde eine Artikelreihe bedeuten. Außerdem geht es bei der jetzigen Reihe ja nur um wichtige Grundmodelle und die für ihre Realisation notwendigen Verfahrensweisen.
Kapitel IX. Zur Realisation von Musique Concrete
Aus bereits angeführten Gründen ist ein erstes Beispiel experimenteller Klanggestaltung durch Geräuschverwandlung unter Kapitel V. im Augustheft 1966 auf den Seiten 56 und 57 beschrieben worden. Dort sind auch dafür mögliche tontechnische Verfahren aufgezählt.
Es ist eigentlich sehr verwunderlich, daß dieses Gebiet in Tonbandamateurkreisen nur so am Rande als Trick oder Ulk vorkommt. Dabei ist es doch eine so wichtige, interessante und gerade auch dem Amateur eigene Kompositionen ermöglichende Spielweise im Umgang mit Tonbandgeräten.
Zum besseren Verständnis und als Anregung für weitere Versuche der experimentellen Klanggestaltung sollen jetzt noch einige Ergänzungen zu Kapitel V. folgen.
Ergänzungen zu Kapitel V.
Zu V. a): Der Wechsel der Abspielbandgeschwindigkeit bedeutet immer gleichzeitige Änderung von zwei musikalischen Komponenten. Diese bezeichnet man in der modernen Musiktheorie gerne als Parameter. (Die Betonung liegt auf dem zweiten a.)
Die Halbierung der Bandgeschwindigkeit bewirkt Halbierung der Frequenzzahlen, musikalisch also Transposition aller Tonhöhen in die tiefere Oktave.
Automatisch damit gekoppelt ist die genaue Verdoppelung der Zeitdauer aller Klänge. Bei Verdoppelung der Bandgeschwindigkeit sind die bewirkten Veränderungen entsprechend umgekehrt. Eine solche automatische Kopplung zweier Parameter stellt bereits ein kleines kybernetisches System dar.
Wie Geschwindigkeits- Transpositionen praktisch ausgeführt werden, ist am angegebenen Ort nachzulesen. Für weitere Versuche sei auf die Kombination der Verfahren V. a) und V. g) hingewiesen:
Verfahren 1.
Mehrfache Überlagerung eines Geräuschablaufs, der mit 9,5 cm/s aufgenommen wurde. Das kann als Schema so aussehen:
Auf diese Weise erhält man zunehmende Klangdichte bei gleichzeitig zunehmender Klanghelligkeit. Das Schema zeigt, daß man es auch umkehren kann.
Es ist aber auch folgende Überlagerung denkbar:
Für diese Variation muß man das 9,5cm/s-Original zweimal, die 19cm/s-Transposition drei- bis viermal kopieren und durch Herausschneiden der Pausen dicht aneinandersetzen. Selbstverständlich ist auch hier der Beginn mit der 19cm/s-Transposition möglich. Stehen drei Abspielgeräte, ein entsprechendes Mischpult und ein weiteres Gerät zur Aufnahme der Mischung nicht zur Verfügung, so muß man eben sukzessiv (in zwei oder mehr Arbeitsgängen) mischen.
Verfahren 2.
Verwandlung eines Geräusches in ein anderes.
Das ist eine besonders reizvolle Variation, die noch interessanter wird, wenn man statt der Bandgeschwindigkeitstranspositionen anstelle nur eines aufgenommenen Geräuschablaufs etwa 2, 3 oder mehr verschiedenartige Geräuschablaufaufnahmen verwendet.
Für zwei Abläufe ergibt sich folgendes Schema:
An dem A/E-Überkreuzungspunkt soll sich der Aussteuerungspegel (die Aufnahmelautstärke) nicht ändern. Das muß man üben!
Es ist klar, daß durch Mithören am Aufnahmegerät der Mischvorgang ständig kontrolliert werden kann. Der Umwandlungsprozeß kann von einem bestimmten Punkt an auch rückläufig gestaltet werden.
Gestalttransformationen
Überlagerungen und Umwandlungen (terminus technicus: Gestalttransformationen) können nicht nur mit Geräuschabläufen, sondern auch mit auf Musikinstrumenten erzeugten Ton- und Klangfolgen (auch mit Sprachelementen wie Vokalen, Konsonanten, Silben, einzelnen Wörtern) gemacht werden. Jedoch sollten weder bei Musik noch bei Text erkennbare bekannte Zusammenhänge vorkommen.
Der Krebsgang
Zu V. b): Krebsgang, d.h. rückwärts abgespielte Aufnahme, ist am leichtesten mit Vollspurtonköpfen zu erreichen. Bei Stereogeräten ist das fast ebenso einfach zu machen. Man nimmt auf Spur 1 auf, legt nach dem Ende der Aufnahme die Spulen um (die bei der Aufnahme rechts gelegene Aufwickelspule kommt nach links und die linke Abwickelspule nach rechts auf die entsprechenden Spulendorne) und nimmt die Wiedergabe von Spur 2 ab.
Mit Monogeräten läßt sich der Krebsgangeffekt - zwar nicht so klar und sauber - auch erzielen. Man steuert dazu die Aufnahme hoch aus; etwas Übersteuerung schadet nicht. Die Aufnahme wird am Anfang und Ende abgeschnitten und das Band verkehrt herum (mit der glatten Folienseite zum Tonkopf hin, aber mit der Aufnahmespur oben) wieder eingeklebt.
Stark ausgesteuerte Aufnahmen werden durch die Trägerfolie hindurch vom Wiedergabekopf abgenommen. Da beim Krebsgang alle sogenannten Einschwingvorgänge umgekehrt verlaufen, endet jeder Klang mit einem kurzen kräftigen Zischer. Will man den nicht haben, so schneidet man vor dem Rückwärtsabspielen die Geräusch- oder Klangansätze heraus. Das sind bei 19cm/s etwa 1 bis 2 cm. Diese Ansätze lassen sich (mit und ohne dazwischen gesetzte Pausen) bei der späteren Mischung vorwärts oder
rückwärts laufend gut als Geräuschpunkte verwenden.
Die Gestalt der verbleibenden Klangreste
Die verbleibenden Klangreste haben stets folgende Gestalt:
Sie können durch Schneiden und Kleben nach einem Ordnungsprinzip (Tonhöhe, Zeitdauer, Lautstärke, Klangdichte usw.) aneinander montiert werden. Da durch Halbierung der Bandgeschwindigkeit die Nachklangzeit verdoppelt wird, wird man sie in der Regel ein- bis zweimal tiefer transponiert verwenden.
Auf diese Weise lassen sich z. B. in Mittellage gespielte, dissonante Klavierakkorde ausgezeichnet für die Komposition von Musique Concrete brauchbar machen.
Dynamikvariation
Zu V. c): Dynamikvariation (Beeinflussung der Lautstärkeunterschiede) ist prinzipiell kein Problem, sondern beim Umschneiden oder Kopieren durch schnellere oder langsamere Drehung des Pegelreglers am Mischpult oder am Aufnahmegerät zu erreichen.
Allerdings sollte man - wenn am Ende wirklich so etwas wie eine Komposition herauskommen soll - nicht willkürlich verfahren. Da Lautstärkegrade auch ein musikalischer Parameter sind, müssen sie im Struktur- und Ablaufplan, der durchaus der Partitur der traditionellen Musik entspricht, festgelegt sein.
Genaue Werte wird man nur mit Hilfe einer richtigen Aussteuerungsmessung realisieren können. Mit der bei Heimtonbandgeräten üblichen Aussteuerungsanzeige durch magisches Band oder VU-Meter kann man das nur sehr ungefähr machen.
Auch bei Mischungen müßte der Lautstärkegrad jedes zur Überlagerung mit einem anderen benutzten Bandes festgelegt werden. Man vergesse aber nicht (worauf früher schon aufmerksam gemacht wurde), daß sich bei Mischungen stets ein Summenpegel ergibt, der höher liegt als jeder Einzelpegel. Man muß also bei der probeweisen Einzelaussteuerung immer Spielraum nach oben lassen.
Da es sich bei unseren Realisationen nicht um absolute Werte handeln kann, wird man richtige relative Lautstärkeunterschiede immer erreichen können. Am besten ist es, am Mischpult die Einzelpegel einzustellen und dann, wenn sich bei der Mischung Übersteuerung ergeben sollte, die Summe durch Zurückregeln am Aufnahmegerät zu dämpfen. Das macht man natürlich beim Probelauf und nicht erst bei der endgültigen Aufnahme!
Veränderung des Klangspektrums
Zu V. d): Veränderung des Klangspektrums macht man im Studiobetrieb durch Entzerrer, Verzerrer und Filter, die in die Mischkanäle eingeschaltet werden können.
Im gehobenen Amateurbetrieb findet man gelegentlich Steuerverstärker, die wenigstens eine Höhen- und Tiefeneinstellung bei der Mischung gestatten. Die bekannte Firma Radio Rim, München, liefert Bausätze für solche Steuerverstärker. Auf etwas primitive Weise kann man das aber auch so machen: Man benutzt für das Band, das man bei der Überlagerung klanglich verändern will, den Lautsprecherausgang des Abspielgerätes. Diesen schaltet man mit Hilfe eines leicht zu bastelnden Adapterkabels auf den Plattenspielereingang des Mischpultes. Auf diese Weise wird die Lautsprecher-Klangregelung des Abspielgerätes wirksam.
Macht man einmal eine Reihe von Versuchen, so wird man erstaunt sein, welche Verzerrungen von Geräuschen, Musikklängen und besonders auch von Sprache sich mit Höhen- und Tiefenveränderung ergeben.
Daß die Veränderung des Klangspektrums mit gleichzeitiger Geschwindigkeitstransposition und mit Abspielen im Krebsgang gekoppelt werden kann, braucht sicher nur erwähnt zu werden.
Verittern (was ist das ??)
Zu V. e): Verittern lassen sich kurze Signale aller Art dann, wenn man ein Gerät hat, das neben dem Aufsprechkopf einen gesonderten Wiedergabekopf besitzt.
Man verbindet den Diodenausgang (meist als Radioanschluß bezeichnet) des Aufnahmegerätes mit einem entsprechenden Eingang des Mischpultes. Bei manchen Geräten ist dafür eine besondere Echoleitung (Überspielkabel mit Spannungsteiler) notwendig.
Durch die Laufzeit zwischen Aufsprech- und Hörkopf wiederholt sich so jedes Signal mehrfach. Es wird mit jeder Wiederholung diffuser und weniger intensiv. Dieses tontechnisch erzeugte Vielfachecho ist von so außerordentlicher, eigenartiger Wirkung, daß man es nur sehr sparsam verwenden sollte. Folgt dem ersten Signal ein zweites, so ergibt sich mit diesem dasselbe Echospiel.
Verhallen (ist eben nicht Verrittern)
Zu V. f): Verhallen kann man ein Signal, wenn man keinen „Echomixer" besitzt, über einen Hallraum (etwa ein halliges Badezimmer) nach folgendem Schaltschema (Schema 5):
Die Modulationsspannung des Aufnahmemikrofons (das niederohmig oder symmetrisch geschaltet sein muß!) wird am Punkt P durch eine sogenannte Peitsche verteilt. Eine Peitsche besteht aus einer Kupplung, an deren Lötfahnen zwei Mikrofonkabel parallel angelötet sind. Jedes Kabel geht auf einen Stecker. Vom einen Stecker wird bis zum Mischpult verlängert.
Vom zweiten Stecker führt ein Kabel an den Mikrofoneingang eines Verstärkers. Als Verstärker kann man auch ein zweites Tonbandgerät nehmen, das einen zweiten Lautsprecherausgang und einen Mithörschalter hat. Am Verstärker wird ein Lautsprecher im Hallraum angeschlossen. Dort steht außerdem ein Mikrofon (mit Kugelcharakteristik), das an einem weiteren Mikrofoneingang des Mischpultes über ein Verlängerungskabel angeschaltet werden kann.
Hat man genügend Mikrofone und Verlängerungskabel, so kann man statt der Peitsche ein weiteres Mikrofon an den Hallverstärker führen. Am Mischpult läßt sich nun der Hallanteil dosieren, indem man den Regler, an dem das Mikrofon im Hallraum angeschlossen ist, mehr oder weniger aufzieht.
Reihung und Schichtung mehrerer Elemente
Zu V. g): ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Mischen und das dadurch zustande kommende Überlagern oder Schichten von Klängen und Klangfolgen ist bereits ausführlich bei den anderen Punkten besprochen worden. Auch hierbei handelt es sich wieder um einen gekoppelten Prozeß: Das Überlagern von zwei oder mehr Bändern mit Geräusch- oder Klangfolgen ergibt in der Summe nicht nur eine Klangschichtung, sondern auch zugleich neue Ablauf-, d. h. Zeitkombinationen.
Das Mischen ist bei der Realisation von Musique Concrete stets ein Zusammenspiel von zwei Momenten, einem geplanten, steuerbaren und einem nicht planbaren, aleatorischen (von lateinisch „Würfel" stammendes Wort).
Das aleatorische Moment kommt von der Eigengesetzlichkeit der Abläufe von aufgenommenen Geräuschen. Man lasse einmal eine Handvoll Erbsen in ein großes Glas fallen und man hat ein Musterbeispiel für das, was man als aleatorisch bezeichnet.
Zusammenfassung dieser Ausführungen
Selbstverständlich könnte man Geräusche, die nach den beschriebenen Verfahren zu neuem, kompositorisch brauchbarem Klangmaterial umgewandelt worden sind, auch in Reihen anordnen. Das Prinzip der Reihenbildung soll aber erst bei der elektronischen Klangrealisation näher besprochen werden.
Es ist mit Absicht vermieden worden, zu diesem Kapitel tontechnischer Gestaltung ein spezielles Kompositionsmodell darzustellen. Wichtiger ist, daß jeder selbst damit anfängt, die Verfahren zur Gestalttransformation auszuprobieren, um aus den eigenen Versuchen selbst Kombinations- und Strukturschemata zu entwickeln.
Zu bedenken ist aber, daß die technische Apparatur eine Art modernes Instrument darstellt, mit dem neues Klangmaterial zur kompositorischen Verarbeitung erzeugt werden kann. Die Qualität einer Realisation aber ergibt sich aus dem Zusammenspiel technischer und musikalischer Kriterien. Gr.