Aus der Funkschau 1983 Heft Nr. 02/03/04
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 53 / 54 / 55 (von 72)
von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1982
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Der bespielte Schallfilm: Ein neues Medium?
Ende der 30er Jahre waren verschiedene neue Techniken der Tonaufzeichnung auf Band so weit entwickelt, daß man an den Vertrieb besprochener bzw. bespielter Bänder dachte. Ein neues Medium war reif geworden, dessen nach verschiedenen Verfahren hergestellte Bänder man unter dem Begriff „Schallband" zusammenfaßte.
Die Reichspropaganda schielte sofort auf dieses Medium
Der nationalsozialistische Staat, der von seiner Machtübernahme 1933 an die Medien beherrschte, und zwar durch Zensur aller Druckerzeugnisse und des im Rundfunk gesprochenen Wortes über die Zwischenschaltung des Tonbandes, beanspruchte auch die Herrschaft über das Schallband als Medium.
Einerseits die Möglichkeiten zur Umgehung der Zensur witternd, andererseits seine propagandistischen Einsatzmöglichkeiten erkennend, verschaffte er sich erst einmal eine Kontrolle über die technische Entwicklung. Dazu die folgende Meldung aus den „Volkswirtschaftlichen Informationen, Nr. F10" vom 14. 3. 1939:
- "Unter dem Präsidium des Reichshauptamtsleiters Karl Heinrich Hederich wurde im Einvernehmen mit Generalfeldmarschall Hermann Göring und mit dem Stellvertreter des Führers, Reichsminister Rudolf Hess, eine Reichsarbeitsgemeinschaft Schallband gegründet, die die Aufgabe hat, die wirtschaftlichen und politischen Belange der auf dem Gebiet der akustischen Aufzeichnungen vorhandenen und neu entstehenden Industrie zusammenzufassen. Nachdem durch den Schallfilm die Möglichkeit geschaffen ist, akustische Vorgänge aller Art, Musik und Sprache, in unbegrenzter Zeitdauer aufzunehmen und wiederzugeben, hat es sich als notwendig erwiesen, den Einsatz des neuen technischen Verfahrens, das zugleich bedeutende Exportmöglichkeiten eröffnet, nach einheitlichen Gesichtspunkten zu ordnen."
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Das Magnetofonband war (noch) nicht im Fokus der Interessen
Aber nicht das Magnetofonband war es, das das Interesse der Obrigkeit geweckt hatte, obwohl der Begriff Schallfilm auch das Magnetofonband umfaßte. Der die Verordnung auslösende „Hecht im Karpfenteich" war ein unter der Bezeichnung „Tefiphon" mit viel Werbung gerade vor der Markteinführung stehendes Gerät.
Es arbeitete mit einem endlos zusammengeschweißten (Kunststoff- bzw. Film-) Band mit mehreren parallel in Schallplattenschrift eingravierten Rillen, die mit einem Schallplattentonabnehmer abgestastet wurden. In das Wort "Telephon" anstelle der Silbe „le" die Silbe „fi" (für "Film") eingefügt, gab dem Gerät seinen Namen.
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Schon Jahre vor der Erfindung des Tefiphons hatte man sich damit beschäftigt, für die damals maximal 4 1/2 Minuten spielende Schallplatte einen Ersatz zu finden, der eine längere Spielzeit ermöglicht.
Für die Heimanwendung führte der Weg jedoch an dem noch in den Kinderschuhen steckenden Magnetband vorbei. Als Beispiel seien hier zwei von den vor dem Tefiphon angekündigten und demonstrierten Entwicklungen herausgegriffen.
Die Ideen sprießten aus dem Lichttonfilm
Der 1929 eingeführte Lichttonfilm regte zu Versuchen an, auf seiner Basis ein reines Tonbandgerät zu entwickeln; der 16mm Schmalfilm schien als Band dafür geeignet. Auf ihm aber nur eine Lichttonspur aufzubringen, das wäre zu unwirtschaftlich geworden (Bild 70a).
Deshalb stellte man Überlegungen an, das Band mehrspurig zu nutzen, und fand Lösungen, die vielfach noch heute angewendet werden.
Da gab es z. B. den Vorschlag, mehrere Tonspuren nebeneinander - im Hin- und Herlauf am Ende jeweils in der Laufrichtung umgesteuert - anzuordnen (Bild 70b).
Die Umsteuerung der Laufrichtung ließ sich bei einem endlos zu einer Schleife zusammengefügten Band jedoch vermeiden, wobei dann eine automatische Spurweiterschaltung am Ende eines Umlaufs erfolgte (Bild 70c).
Damit war auch die Auswahl einer gewünschten Spur über einen Spurwähler möglich. Das umschaltfreie Abspielen durch Nachführung des Abtasters längs einer Schraubenspur (Bild 70d) war bei der Lichttonspur allerdings nicht ganz einfach, denn Lösungen mit elektronischer Nachführung, wie sie heute bei der Kompaktplatte oder der optischen Bildplatte üblich sind, konnten damals noch nicht realisiert werden.
Vielleicht doch Papier anstelle des Films
Unter Mitarbeit des Verfassers wandte Anfang der 30er Jahre Denes von Mihaly das Verfahren nach Bild 70c an. Mit zehn Lichttonspuren, die in Durchsicht abgetastet wurden, konnten mit 30m 16mm Schmalfilm auf einer Endloskassette 40 Minuten Spielzeit erreicht werden. Die Qualität entsprach der damaligen Schallplattenqualität. Bild 71 zeigt ein solches Gerät, das der Verfasser nach Kriegsende in seiner Werkstatt für den Filmproduzenten Arthur Brauner gebaut hat.
Den teuren 16mm Schmalfilm versuchte man mit dem Ozophanfilm der Firma Kalle zu umgehen [51]. Agfa lieferte in den 30er Jahren auf dieses Material kopierte 16mm Bildfilme. Für eine Direktaufnahme war das fotografisch nach dem Diazotypieverfahren arbeitende Material jedoch zu unempfindlich. Nur mit UV-Belichtung konnten Kopien hergestellt werden, und auch nur in Zackenschrift.
1935 gelang es dem Verfasser vor seinem Ausscheiden aus dem Mihalyschen Fernseh- laboratorium im UV-Kopierprozeß noch einige kurze Bänder für Mihalys Filmgrammophon herzustellen. Doch es gab bei größeren Bandlängen Probleme mit der Endloskassette. Das Material war zu hygroskopisch und blockierte den Ablauf innerhalb der Kassette. Man hätte zum Spulengerät übergehen müssen, doch dafür war von anderer Seite ein noch billigeres Material im Gespräch: Papier.
Das „Selenophon" spielt mit Papierband
Zusammen mit dem österreichischen Rundfunk hatte der Wiener Physikprofessor Hans Thirring ein Gerät mit Papierband entwickelt, dem man für den Heimgebrauch publizistisch viele Chancen gab. Von einem Lichtstrahl wurde das undurchsichtige Papier episkopisch, also in Aufsicht, abgetastet und nicht wie beim Film in Durchsicht, also diaskopisch.
Sein „Selenophon" genanntes Gerät führte Thirring am 12. Juli 1929 erstmals in der Wiener Urania vor (ob daher eine erste Anregung für Pfleumers Papiermagnetton kam?). Nach dem Bericht eines Teilnehmers [52] enttäuschte die Vorführung jedoch in bezug auf Klangqualität und Rauschen sehr. Thirring verwendete die alte Selenzelle, auf die sich schon die allerersten Ideen für das Fernsehen stützten. Für den Tonfrequenzbereich hatte er sie ausreichend brauchbar gemacht, und sie lieferte auch den Namen für sein Gerät: Selenophon.
Auch die Amerikaner hatten solche Ideen
Undurchsichtiges Papier, episkopisch mit Licht abgestastet, hatte schon 1919 der um das Stahldraht- und Stahlband- Magnettongerät sehr verdiente Erfinder Dr. Curt Stille in einem Patent vorgeschlagen [53].
Auch der Amerikaner Lee de Forest ließ sich in diesem Jahr eine Anordnung zur episkopischen Abtastung von Tonspuren auf undurchsichtigem Material schützen (Bild 72).
Wenn sich auch Thirrings Geräte nicht durchgesetzt haben, so war er doch der Erste, der Tonbandgeräte mit Papierband bis zur Serienreife entwickelt hat [55].
Das zweispurig mit 6mm Papierband vorwärts/rückwärtslaufende Gerät, ähnlich Bild 73 (nach [56]), konnte ich im Laboratorium Mihalys seinerzeit testen: Die Qualität erreichte nicht die der Schallplatte, das Rauschen, hervorgerufen durch das Papierkorn, war enorm. Auch die Vorstellung von Thirring, das 300m lange Tonband im Offset-Druck zu vervielfältigen, ließ sich nicht verwirklichen.
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Die Papier-Walze des Fernando Crudo aus Argentinien
Eine andere Entwicklung, die als Tonvorlage ein im Flachdruck hergestelltes rechteckiges Papier benutzte, sollte hier ebenfalls erwähnt werden. Damit wurde nämlich die Grundidee einer in einem Druckverfahren vervielfältigten Platte, die zur optischen Abtastung geeignet ist, heutigen Entwicklern vorexerziert. Allerdings legte der Erfinder, Fernando Crudo aus Argentinien, die Papierfläche um eine Walze - wie Edison seine ersten Staniolfolien -, weil die Nachführung des lichtoptischen Abtasters auf der Schraubenspur auf diese Weise viel einfacher war.
Eine nach seinem deutschen Patent [57] von 1932 in England vorgeführte Apparatur [58] benutzte ein Papier von 50cm x 42,5cm, auf dem die Tonspur in Zackenschrift so aufgebracht war, daß sich die Schraubenspur durch Markierungen an der Trennstelle spurgerecht zusammenfügte. Dazu war das Papier mit aufgedrucktem Eisenpulver so markiert, daß es von Magneten auf der Walze in der richtigen Lage gefaßt und fixiert wurde (Bild 74). Das Einlegen war, wie Bild 75 (weiter unten rechts) zeigt, sehr einfach.
Noch gab es kein Magnetofon, da setzte der östereichische Rundfunk bereits ein Spezial-Selephon für Reportagezwecke ein. Aufgezeichnet wurde auf 35mm Normalfilm mit acht Spuren und in Durchleuchtung abgestastet - mit guter Qualität [56]. Doch der nach der Aufnahme in der Dunkelkammer notwendige Entwicklungsprozeß stellte eine starke Behinderung dar.
Auch für die BBC war 1935 das Magnetofon noch nicht reif.
Als das AEG Magnetofon 1935 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, lehnten es die Rundfunkanstalten noch ab, besondern die BBC in England. Sie stürzte sich dagegen auf ein Lichttongerät, bei dem keine Filmentwicklung erforderlich und das sofort nach der Aufnahme abspielbereit war.
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Seine Qualität übertraf die aller anderen vorhandenen Geräte, in der Rauschfreiheit auch das Magnetofon, bis dieses 1940 durch Einführung der Hf-Vormagnetisierung gleichwertig wurde. Hierbei handelte es sich um das nach den Ideen von James Arthur Miller bei Philips in Eindhoven entwickelte „Philips-Miller-Gerät" (auch „Philmil-Gerät" genannt).
Zusätzlich zu den Stahlbandgeräten setzte es die BBC ab 1936 ein, vornehmlich um ein Archiv mit Aufnahmen anzulegen, das auf der Marconi-Stille- Stahlbandmaschine aufgezeichnet, Tonnen von Stahlband erfordert hätte.
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Das Philips-Miller-Verfahren und der „Philmil"-Film
Miller hatte schon in einem von 1932 stammenden deutschen Patent gezeigt, wie er sich eine Lichttonaufzeichnung mit geringem Rauschen dachte. In einem weiteren deutschen Patent [59], angemeldet von Philips, hat Miller eine Methode angegeben, nach der mit einem elektrisch gesteuerten mechanischen Schneidmesser in einen sonst undurchsichtigen Film seine Lichtspur durchsichtig hinein„geschnitten" wird.
Für die Durchentwicklung dieses Systems hatte Philips (nach einer Mitteilung von v. Braunmühl) die für die damalige Zeit sagenhafte Summe von 3 Mio. Gulden aufgewendet. Eine Reihe von Veröffentlichungen zeigt, wie gründlich man sich diese Entwicklung vorgenommen hat [60 ... 60 f]. Wie die Tonspur bei diesem System durch mechanische Gravur auf dem „Philmil"-Film aufgebracht wird, das zeigt Bild 76.
Die Grundlagen des „Philips-Miller-Geräts"
Das Filmmaterial besteht aus einer Zelluloidunterlage C, die statt der üblichen fotographischen Emulsion eine durchsichtige Gelatineschicht G trägt, auf die eine nur wenige um dicke, undurchsichtige Deckschicht D aufgebracht ist. Senkrecht zur Ebene des Filmstreifens bewegt sich im Rhythmus der aufzuzeichnenden Schallschwingungen der Schneidstichel S und hebt dabei eine Rinne veränderlicher Breite aus der Gelatineschicht G aus. Durch die Entfernung der Deckschicht längs dieser Rinne entsteht eine durchsichtige Spur auf undurchsichtigem Grund. Man erhält dabei eine Aufzeichnung der Schallschwingungen in Form einer Doppelzackenschrift.
Die Amplitude ist von der Stichelamplitude abhängig [Bild 77). Zwischen der Breite 2b der Aufzeichnung und der Eintauchtiefe h besteht die Beziehung
2b - h • 2 tan a
wobei a den halben Keilwinkel bedeutet. Bei dem praktisch benutzten Keilwinkel a = 87° beträgt die erzielte „Vergrößerung"
2b/h = 2 tan 87° = 40
Zur Erzielung einer maximalen Tonspurbreite von 2 mm, wie sie bei den Tonfilm-Aufnahmeverfahren üblich ist, braucht der Stichel also nur einen Gesamthub von 50um, d. h. eine Amplitude von 25um ausführen.
Die Wiedergabe der aufgezeichneten Töne erfolgt in der beim Lichttonfilm üblichen Weise mittels Abtastoptik und Fotozelle, und zwar kann der geschnittene Streifen unmittelbar ohne zusätzliche Bearbeitung zur Wiedergabe dienen, da er ja ein Positiv darstellt. Bild 78 zeigt das Schneidsystem des Philips-Miller-Verfahrens.
Philips-Miller-Verfahren konnte bereits 1941 Stereo aufzeichnen
1941 weitete man das Philips-Miller-Verfahren auch auf Stereo aus [61] {Bild 79 und 80). Die BBC mußte im Krieg, abgeschnitten von dem Lieferanten in Holland, erhebliche Anstrengungen machen, um in England gefertigte Philmil-Filme und die schwierig herzustellenden, sich bald abnützenden Schneidstichel zu bekommen.
Beim Philips-Miller-Gerät wurde mechnisch geschnitten und optisch abgestastet. Für den Heimgebrauch war aber die Abtastung einer gravierten Spur mit einem Tonabnehmer viel einfacher und billiger; so kam man zu dem Tefiphon, mit dem dieses Kapitel eingeleitet wurde.
Die doppelseitige Ausnutzung des Trägers
Für eine größere Speicherdichte durch doppelseitige Ausnutzung eines endlosen Bandes mit mehrspurigen Tonaufzeichnungen hatte der Amerikaner Lee de Forest 1919 für die Reflexabtastung eines undurchsichtigen Trägers ein deutsches Patent angemeldet [62].
Dabei hatte er eine mathematische Idee von August Ferdinand Möbius (1790-1886) - eine Spur auf einem entsprechend verwundenen endlosen Band, kontinuierlich von der Vorderseite auf die Rückseite und dann weiter wieder auf die Vorderseite übergehend - auf das Lichtgrammophon angewendet (Bild 81).
(1919 erfand Lee de Forest für die automatische Abtastung von zwei Seiten eines Bandes die Anwendung des sogenannten Möbiusbandes [62]).
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Karl Daniel und sein Tefiphon und die „Möbiusschleife"
Diese Idee griff Mitte der 30er Jahre Karl Daniel für sein Tefiphon auf, indem er statt der Lichttonaufzeichnung eine normale Schallplattenschrift in das in einer „Möbiusschleife" geführte Band eingravierte.
Der Ton konnte dann mit einem normalen elektromagnetischen Tonabnehmer abgenommen werden. Er benutzte 35mm Normalfilm mit Perforation, der aber beiderseitig mit einer speziellen, schneidfähigen Auflage versehen war.
Mit einer Rillenauslenkung von maximal 0,0625mm (ein Vorgriff auf die spätere Langspielplatte) konnte er auf einem Millimeter Filmbreite vier Rillen unterbringen, also bei 25mm ausnutzbarer Breite 100 Rillen, demnach auf beiden Filmseiten zusammen 200 Rillen, die kontinuierlich fortlaufend abtastbar waren.
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Das Tefifon konnte bereits 60 Minuten Spielzeit
Die bis zu 30um tief geschnittene Rille erlaubte die Führung eines Tonabnehmers mit Saphirnadel. Die hohe Rillendichte und die beiderseitige Beschriftung ergaben für 60 Minuten Spielzeit nur einen Bandverbrauch von 8,16m.
Ein Programm von fünf Stunden konnte auf nur 40,80m Band untergebracht werden, eine Länge, die noch gut in der Endloskassette lief. Zwei Geräte, wie sie 1938 schon serienmäßig gebaut wurden, finden sich in Bild 82 und 83. Die nach Möbius erforderliche Verdrehung des Bandes um 180° wird bei Daniel auf zwei Stellen im Ablauf mit je 90° aufgeteilt.
Das Tefiphon wurde ab 1960 von der 33er LP restlos verdrängt. Heute findet man "Tefifon" bzw. "Tefiphon"-Geräte nur noch in Museen.
Bild 82. Das Tefiphon-Gerät für Aufnahme und Wiedergabe: Das Bild läßt gut die Führung des Bandes erkennen (Baujahr 1938)
Bild 83. Nur für Wiedergabe: Das einfache Teficord-Gerät (1938)
onspuren. Sie fand um 1934 eine gewisse Verbreitung in Japan [63]
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Die Japaner hatten 1934 auch bereits ein Filmtonband
Eine ähnliche Maschine entstand übrigens 1934 in Japan, auch mit 35mm Film, 0,23mm dick [63] (Bild 84). Sie arbeitet mit einer 13,1m langen Schleife bei einer Bandgeschwindigkeit von 61,1cm/s, so daß man mit ihr 36 Minuten aufzeichnen bzw. wiedergeben konnte.
Nach Berichten von Herrn Inoue, dem Entwicklungschef von JVC, hatte die Maschine seinerseits in Japan ein hohes Ansehen. Nach dem Krieg versuchte man noch einmal, das Tefiphon für den Heimgebrauch einzuführen. Die stark vereinfachte Konstruktion war auf leicht auswechselbare Bandkassetten umgestellt. So konnte sich das Gerät bis zum Ende der 50er Jahre halten. Doch inzwischen war das Magnettonband-Gerät für Heimzwecke reif geworden und hatte alle anderen Geräte verdrängt.
Die Schallband-Uhr von Bernhard Hiller
Nicht nur Tefiphon-Geräte findet man heute nur noch in Museen, ebenso, wie sich im „Historischen Uhrenmuseum Wuppertal" auch ein sehr früher Vorgänger des mehrspurigen gravierten Schallbandes findet.
Es handelt sich um eine Uhr, die von Bernhard Hiller in Berlin wahrscheinlich schon vor 1915 hergestellt wurde (300 ... 1000 Exemplare sollen davon gebaut worden sein). Hiller benutzte einen zu einer endlosen Schleife geklebten 35mm Film mit 48 in „Berliner-Schrift" eingravierten Tonrillen (Bild 85).
Die Tonspuren wurden - vom Uhrwerk geschaltet - von einer Schalldose wie beim Edison-Phonographen abgetastet. Dazu diente eine Dauernadel aus Glas. Die Uhr sprach die Zeit etwa so, wie es die neuesten Uhrencomputer mit Elektronik gewissermaßen nachmachen.
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Weitere eigenwillige Tonspeicherungen - das Welte-Piano
Übrigens gab es Anfang der 30er Jahre noch eine ganz eigenwillige Tonspeicherung auf Band. Hier wäre einmal an das mechanische Welte-Piano zu erinnern, dessen Lochband berühmte Musiker nicht beim Bespielen gelocht haben, sondern rein zeichnerisch herstellten, ohne vorher Noten gehabt zu haben. Auf den Donaueschinger Musiktagen haben 1924 die Komponisten Paul Hindemith und Ernst Toch auf dem Welte-Piano Klavierstücke vorgeführt, die man von Hand nicht hätte spielen können. Die ganze Tastatur wurde dabei gleichzeitig und hemmungslos in Anspruch genommen [64].
Rudolf Pfenniger zeichnet Musik auf ein Tonband
So ähnlich hat auch Rudolf Pfenniger Musik zeichnerisch auf Tonband „geschrieben". Mich hat es stark beeindruckt, als ich seine Musik 1929 bei einem Interview in einer Emelka-Wochenschau kennenlernte. Rudolf Pfenniger, ein Schweizer, der in München lebte und dort von 1918 an mit der „tönenden Handschrift" experimentierte, hatte gefunden, daß jede Lichttonschrift ihren eigenen Charakter hat, den man zeichnerisch gut nachahmen konnte.
Zunächst setzte er einfache Töne und Sprachlaute in Tonschrift um (Bild 86) [65]. Doch er wollte wie Hindemith und Toch mit ihren handgelochten Bändern zu neuartigen, mit Instrumenten normal nicht spielbaren Musikeffekten kommen, also zu Tonkombinationen, wie wir sie heute mit dem Synthesizer erfinden und von da auf Tonband überspielen.
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Er zeichnete auf überdimensionalen Kartonstreifen, die dann durch fotografische Verkleinerung auf das Format eines Tonstreifens auf dem Tonfilm verkleinert wurden. Bild 87 zeigt ihn beim Zeichnen der Tonstreifen für seinen Trickfilm „Largo".
In einer seiner Kompositionen ist es Pfenniger gelungen, ein Konzertstück völlig obertonfrei zu schreiben, umgekehrt konnte er ganz neue Obertöne finden. Proben aus seinen ersten sechs Tonfilm-Einaktern wurden in einem Experimentalvortrag der Berliner Funkstunde 1933 gebracht. Der Verfasser hat diese Sendung gehört und kann bestätigen, daß auf diese Weise Musik erzeugt wurde, die nie vorher gespielt wurde, aber auch Worte, die nie vorher gesprochen wurden. Auch das gehört zur Entwicklungsgeschichte des Tonbandes!
Nochmal zurück zur Propaganda
im 3. Reich und dem "Tefifon"
Für den Schallfilm des Tefiphons setzte in den 30er Jahren eine Propaganda ein, wie sie nur dem verständlich ist, der die politische Agitation des Rundfunks in dieser Zeit erlebt hat.
Man wollte einen „Rundfunk-Programmverleih" schaffen, wobei man vornehmlich an das gesprochene Wort mit seinem Propagandawert dachte.
Daß mehrhundertfaches Abspielen bei guter Qualität möglich war, bewies ein während der ganzen Zeit der Ausstellung „Gebt mir vier Jahre Zeit" von der Reichsjugendführung (RJF) in Betrieb gehaltenes Gerät.
Daraufhin richtete das Rundfunkamt der "RJF" - so etwas gab es auch - 1937 ein Sonderreferat Schallfilm ein. Und so könnte man noch viele Stellen aufzählen, denen von cleveren Geschäftsleuten der gravierte Schallfilm als politisch interessant empfohlen worden war.
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Zusammenfassung:
Eifrig suchte man in den 30er Jahren nach einer technischen Lösung für den besprochenen Schallfilm. Doch trotz der beschriebenen geistreichen Erfindungen, trotz hoher finanzieller Aufwendungen dafür, trotz politischer Förderung des besprochenen Bandes gelang es keinem dieser Geräte, die Schallplatte als neues Audio-Medium zu ergänzen. Zwei Jahrzehnte später erst sollte das dem Magnetband in der kleinen Kassette gelingen.
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