Aus der Funkschau 1983 Heft Nr. 18/19/20/21
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung" - Nr. 69/70/71/72
Ein halbes Jahrhundert Rauschverminderung
Die geschilderte Fortentwicklung der Tonbänder hat bewirkt, daß selbst bei der CC mit Markenbändern trotz der außerordentlich schmalen Spur ein Rauschen nur noch bei sehr leisen Musikstellen und in Musikpausen hörbar wird. Aber auch dieses Restrauschen läßt sich durch verschiedenartige Rauschverminderungselektroniken unhörbar machen. Der Volksmund nennt sie auch „Rauschkiller".
Der Ursprung der Rauschverminderungssysteme läßt sich auf die 20er Jahre zurückführen. Als man anfing, die Schallplatte mit elektromagnetischen Tonabnehmern abzutasten und dabei das Plattenrauschen voll hörbar wurde, tauchte der Wunsch auf, es durch elektronische Maßnahmen im Wiedergabeverstärker zu vermindern.
Bei der Schallplatte ein Wunschtraum
Blieb das bei der Schallplatte ein nur gelegentlich in bescheidenen Ansätzen erfüllter Wunschtraum, so wurde es für den 1929 weltweit eingeführten Tonfilm zur dringenden Notwendigkeit, seinen beträchtlichen Rauschpegel - insbesondere bei der Wiedergabe von der Lichttonspur - herabzusetzen. Wie später beim Magnetband hatte man auch hier schon die Chance, Maßnahmen bereits bei der Tonschrift zu ergreifen.
Drei grundsätzliche Verfahren zur Rauschverminderung wurden in den 30er Jahren angegeben; von allen macht man auch heute beim Magnetband noch Gebrauch:
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- I: Rauschverminderte Tonschrift,
- II: Schaltungsmaßnahmen in der Wiedergabeelektronik zur Verminderung der Hörbarkeit des Rauschens,
- III: Veränderungen des Signals vor der Aufnahme und Rückänderung nach der Abtastung, also Änderung des Gesamtsystems (z. B. Kompandersysteme).
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Rauschverminderung - Verfahren I
Die rauschverminderte Tonschrift wurde zuerst beim Lichttonfilm angewendet (wir beschränken uns dabei auf die heute aus Kopiergründen ausschließlich angewandte Zackenschrift, Bild 148).
Ähnlich wie bei der Löschung des Magnetbandes durch einen Gleichstrom die einzelnen Magnetpartikel durch das Gleichfeld magnetisch aktiv gemacht werden und ein Rauschsignal abgeben, das durch die Hochfrequenzlöschung weitgehend unschädlich gemacht wird, so gibt die Kornstruktur der Fotoemulsion bei der Lichttonschrift beim Durchleuchten ein Störsignal. Dieses kann man herabsetzen, wenn bei der Abtastung nur so viel Licht durch die Spur gelassen wird, wie für die Tonwiedergabe unbedingt nötig ist. Wie später beim Magnetband mußte man dieses Gleichfeldrauschen beseitigen.
Die Analogie beider Rauschursachen geht gut aus der 1934 veröffentlichten Arbeit von P. Kotowski (langjähriger Kollege des Verfassers bei Telefunken, Berlin) über „Das Rauschen von Phonogrammträgern" [83] und einer Ergänzung über das Schallplattenrauschen [84] hervor. Kotowski konnte beim Magnetbandrauschen seinen theoretischen Berechnungen allerdings nur das bis dahin allein bekannte Pfleumersche Tonband mit der Papierunterlage zugrunde legen, deren Struktur er mit berücksichtigt hat.
Erste Ideen schon 1927
Schon 1927 hatte Gerlach für die Lichttonspur vorgeschlagen, die mittlere Transparenz, sozusagen den Gleichstromwert des durchfallenden Lichtes, herabzusetzen [85]. Ihn muß man als Urheber für die Rauschverminderungssysteme der Tonaufzeichnung ansehen. Der entscheidende Vorschlag, den nicht benötigten Teil der Lichttonspur durch eine Schwarzblende zusätzlich abzudecken, kam 1929 von Dr. J. Engl (einem der drei von der Tri-Ergon), bei dem der Verfasser Anfang der 30er Jahre an der TH Berlin Tonfilmtechnik "gehört" hat [86]. (Anmerkung: unbewiesene Eigenaussage)
Das wesentliche Kennzeichen ist eine Abdeckung durch eine vom Signal abgeleitete Mittelwertkomponente, die „Klartonblende". Klarton- oder Reintonschrift nannte man diese Aufzeichnungsart.
Mit ähnlich abgeleiteten Signalen arbeitet man heute bei allen Rauschverminderungsverfahren für das Magnetband, bei denen die Verfahren II und III angewendet werden. Auch heute noch ist die seinerzeit von den Mitarbeitern des Telefunken-Klangfilm-Laboratoriums erarbeitete theoretische Grundlage [87] für diese Steuerungen eine wertvolle Hilfe.
Rauschverminderung - Verfahren II (Single-Ended-Systeme)
Die Möglichkeiten, einem vom Bande kommenden verrauschten Signal vor oder im Wiedergabeverstärker durch elektronische Einwirkung einen im Höreindruck vergrößerten Geräuschabstand zu verschaffen, sind begrenzt (Anmerkung: damals gab es noch keine Digitaltechnik). Heute kennt man dafür das DNL-System, das ideenmäßig seinen Ursprung 1947 bei H. H. Scott [88] in den USA hat.
Bei seinem „Dynamik Noise Supressor" ging Scott davon aus, daß man nur bei leiser Musik oder in Pausen etwas gegen das Rauschen unternehmen sollte. Er erkannte, daß, wenn man bei lauter Musik das Signal in voller Nf-Bandbreite mit all seinen Oberwellen mit dem vollen Rauschspektrum wiedergibt, selbst bei kräftigem Rauschen dieses wenig stört: Es wird von der Musik sozusagen „weggedrückt" (Anmerkung: "überlagert").
Fast keine Wirkung bei lauter Musik
Andererseits erkannte er aber auch, daß bei leiser Musik die ohnehin schwachen Oberwellen wenig Einfluß auf die Musikqualität haben und daher ohne nennenswerten Einfluß auf den Höreindruck zusammen mit dem Anteil des Rauschspektrums in diesem Gebiet unterdrückt werden können.
Scott entwickelte einen Tiefpaßfilter, das signalabhängig bei großem Signal eine große Bandbreite hat (die Oberwellen also ungehindert passieren läßt), während es mit abnehmendem Signal seine Grenzfrequenz mehr und mehr vom oberen in den unteren Frequenzbereich und somit neben den dann wenig nützlichen Oberwellen bei leiser Musik auch das Rauschspektrum beschneidet (Bild 149).
Zusätzlich zur Verminderung des Rauschens bei leiser Musik bzw. in Pausen hatte er noch eine Beschneidung der tiefen Frequenzen zur Unterdrückung des „Rumpeins" eingebaut. Auf diese Maßnahme konnte man bei Tonbandgeräten mit gegenüber der Schallplatte verbesserter Antriebstechnik jedoch verzichten.
Aufteilung der Frequenzen in Kanäle (nach Olson)
1947 stellte H. F. Olson von der RCA ein völlig anderes Rauschverminderungssystem vor, das ebenfalls nur bei der Wiedergabe wirksam war. Olson arbeitete mit nichtlinearen Elementen im Verstärkerkanal (Bild 150) [89]. Diese nichtlinearen Kennlinien dienten dazu, aus dem Signal einen Bereich derart herauszuschneiden, daß bei leisem Signal eine Rauschverminderung eintrat, aber auch das Signal selbst weggeschnitten wurde.
Im Gesamtkanal hätte ein solches nichtlineares Element durch die Bildung von Harmonischen und Subharmonischen jedoch erhebliche Verzerrungen hervorgerufen. Dagegen wandte Olson einen Kunstgriff an: Er teilte den gesamten Nf-Bereich in vier schmale Kanäle auf, drei davon mit eigener Nichtlinearität (Bild 151). Jedem der drei nichtlinearen Kanäle gab er eine Bandbreite von nur einer Oktave, so daß jeder seine eigenen Harmonischen nicht weitergeben konnte. Erstmals finden wir hier die Aufteilung des Nf-Bereiches in Teilbereiche, eine Maßnahme, von der heute viele Rauschverminderungssysteme Gebrauch machen. 1951 führte Olson dem Verfasser (Walter Bruch) in den USA eine solche Apparatur vor; der Aufwand war enorm, die Wirkung aber beachtlich.
Olsons Gerät war für professionelle Anwendungen gedacht; dafür arbeiten auch einige interessante neuere Apparaturen. Für die Umspielung alter Schallplatten auf Magnetband oder die Wiederverwertung alter Magnetbandaufnahmen kann man sich einen erheblichen Aufwand leisten. "dBx" und "Phase Linear 1000" aus den USA sind solche Geräte. "dBx" enthält ein digital gesteuertes autokorreliertes Filtersystem mit neun Bandpaßfiltern, die jeweils eine halbe Oktave breit sind.
Das Gesamtspektrum wird im Autokorrelator untersucht; für das Sollsignal werden dann die entsprechenden Filter geöffnet, während für die von der normalen Spektralverteilung abweichenden Signalanteile die Filter gesperrt und dadurch unerwünschte Störkomponenten eliminiert werden.
DNL (Dynamic-Noise-Limiter) von Philips
In vielen Kassettenrecordern wird heute ein Verfahren eingesetzt - statt eines Kompandersystems einschaltbar -, das 1971 von Philips angegeben und unter dem Namen DNL (Dynamic-Noise-Limiter) populär gemacht wurde. Es basiert auf der Grundentwicklung von Scott, nützt aber die moderne Transistorschaltungstechnik aus. Als IC kann es preisgünstig eingesetzt werden, um Kassettenbänder, die noch ohne Kompandertechnik aufgenommen wurden, mit „etwas" vermindertem Rauscheindruck abspielen zu können.
Wie schon bei Scott, so wird auch bei DNL ein Tiefpaßfilter benutzt, um das Rauschen im oberen Frequenzbereich zu reduzieren, wenn der Signalpegel niedrig ist und auf die höheren Signalfrequenzen verzichtet werden kann. Bei größerem Signal sollen dagegen alle höheren Signalanteile von musikalischer Bedeutung erhalten bleiben, die Tiefpaßwirkung soll dann aufgehoben werden.
Für das geregelte Filter hat man eine originelle Lösung gefunden [90]. Es wird nicht die Grenzfrequenz des Tiefpasses hin- und hergeschoben (sliding band), sondern seine Sperrtiefe wird geregelt (Bild 152) und damit ein ähnliches Resultat erreicht.
Bei einer Signalgröße von weniger als -30dB einsetzend, wird die Sperrtiefe mit abnehmendem Signal vertieft, bis bei etwa -52dB die volle Tiefpaßwirkung mit einer TP-Durchlaßbreite von ca. 900Hz bei einer Steilheit von 18dB/Oktave erreicht ist. (Nur ein genügend steiler Abfall bringt eine merkbare Rauschunterdrückung.)
Zur Dämpfung oder Unterdrückung der Signal- und Rauschanteile im oberen Nf-Bereich macht man Gebrauch von einer Addierschaltung, in der die unerwünschten Komponenten - negativ von einem signalabhängig sich in der Verstärkung regelnden Netzwerk (Signalpfad I, Bild 153) mit Hochpaß- charakteristik zugeführt - vom Ursprungssignal abgezogen werden. Der Hauptkanal (Signalpfad II) enthält einen Allpaß, der die Laufzeit des Pfades I nachbildet und die korrelierte Subtraktion ermöglicht.
Bei kleinem Eingangssignal wird der zu subtrahierende Anteil so eingeregelt, daß alle Komponenten im Sperrbereich des Tiefpasses verschwinden; bei großem Eingangssignal verschwindet das Subtraktionssignal und damit die Tiefpaßcharakteristik. Der Gewinn an Geräuschabstand läßt sich nur abschätzen, subjektiv liegt er bei 4,5 dB.
Rauschverminderung - Verfahren III
Komplementäre Verfahren, bei denen man vor der Aufnahme das Signal nach einer vorgegebenen Gesetzmäßigkeit verändert (z. B. die Dynamik komprimiert) und nach der Wiedergabe dies wieder rückgängig macht (die Dynamik wieder expandiert), bezeichnet man als Kompandersysteme.
Unter Dynamik D versteht man in diesem Zusammenhang den Abstand zwischen maximaler und minimaler Amplitude der elektronisch zugeführten Signale der Musik (auch Sprache):
(Die variable Augenblicksdynamik, die auf den Referenzpegel U0 bezogen ist, wird hier mit p bezeichnet).
Auch für die Kompander muß man den Ursprung in den 30er Jahren suchen. Ausgehend von den Dynamikreglern, bei denen die Verstärkung im wesentlichen nicht von der Momentamplitude des Wechselspannungssignals geregelt wird, sondern von dessen Integral über eine Reihe von Schwingungen abhängt (Dynamikpresser), kam man zu den Kompandersystemen. Sie enthalten einen Dynamikpresser auf der Aufnahmeseite und einen gegenläufigen Dynamikdehner auf der Wiedergabeseite.
Man spricht heute von Kompressor auf der einen Seite und von Expander auf der anderen, wobei man das ganze zusammengehörige System unter dem Namen „Kompander" zusammenfaßt.
Erfolgreich im Telefon-Weitverkehr (in USA "long distance call")
Der Einführung eines solchen Systems beim Telefonweitverkehr in den USA und seiner experimentellen Erprobung im Rundfunk folgte die Entwicklung für die Rauschverminderung beim Tonfilm. Doch trotz überragender Ergebnisse ließ es sich damals nicht einführen. Ein solches System hätte einer internationalen Vereinbarung in bezug auf die Kompatibilität der Wiedergabeapparaturen bedurft. Dafür war die Zeit noch nicht reif.
Die Reduzierung des Rauschens bei der Aufzeichnung war schon 1937 in Amerika der Anlaß für die Bezeichnung „High Fidelity". Sie tauchte damals auf in einem Artikel: „Improved Noise Reduction System for High-Fidelity Recording" [91].
Die Herkunft des Wortes High Fidelity liegt im dunkeln. Für Spitzenrundfunkgeräte tauchte in England um 1929 die Bezeichnung "High Quality" auf. In den USA soll die Bezeichnung "High Fidelity" nach J. V. L. Hogan (New York) 1930 im Verlaufe einer Tagung aufgekommen sein. Eine ältere Literaturstelle als die oben genannte von 1937 ist dem Verfasser nicht aufgefallen.
Nach Deutschland kam die Bezeichnung erst in den 50er Jahren, zusammen mit der Einführung des UKW-Rundfunks. Es ergab sich die Notwendigkeit, für Geräte, die das Zeichen "HiFi" tragen dürfen, Mindestanforderungen festzulegen. So entstand die Norm DIN 45 500.
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Dolby und die Arbeiten und Patente von Weber und Bartels
Von den grundlegenden Arbeiten, die damals aus den Telefunken-Laboratorien veröffentlicht wurden, sollte man neben der schon genannten [87] die von Weber [92] und das Patent von Bartels [93] kennen.
Für die Geräuschverminderung bei der Tonaufzeichnung auf Magnetband kamen Kompandersysteme erst wieder ins Gespräch, als Dolby sich in den 60er Jahren mit Nachdruck dieser Aufgabe widmete. Der 1933 in Portland, Oregon, geborene Dr. Ray Milton Dolby, der u. a. von 1952 bis 1957 unter Charles Ginsburg in USA bei Ampex an der Entwicklung des ersten Querspur-Videorecorders beteiligt war, gründete 1965 zusammen mit seinem Bruder Dale B. Dolby (auch einmal Ampex-Ingenieur) in England die Dolby Laboratories.
Den Einstieg in die Geräuschverminderungstechnik offenbarte Dolby mit seinem am 11.8.1965 angemeldeten britischen Patent, dessen deutsche Offenlegungsschrift [94] eine Fülle von Vorschlägen für Kompandersysteme enthält.
Von 18 Patentansprüchen hat sich im deutschen Grundpatent nur einer durchgesetzt, aber das ist alles nicht mehr wichtig: Ray Dolby hat schon mit seinen ersten Entwicklungen etwas in Gang gesetzt, das seinen Namen weltbekannt und die Kompandersysteme populär gemacht hat.
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Der Verdeckungseffekt
Auch beim Kompanderverfahren macht man vom Verdeckungseffekt Gebrauch, d. h. man läßt Signal und Rauschen bei lauter Musik unverändert. Bei leiser Musik wird das Signal vor der Aufzeichnung vergrößert indem man die Musikdynamik herabsetzt, so daß das Signal Umin gegenüber dem Eigenrauschen des Bandes vergrößert wird. Die Wiederherstellung der Originaldynamik bei der Wiedergabe unter Beibehaltung des zu Umin vergrößerten Rauschabstandes, wie er bei der Aufzeichnung erreicht wurde, erfolgt ohne Verlust im Signalspektrum, wie es bei den Methoden II (die erst dadurch wirken) der Fall ist.
Schon Weber [92] hatte 1936 für die Dynamikregelung eine lineare Abhängigkeit des Logarithmus der Ausgangsspannung U2 vom Logarithmus der Eingangsspannung Ui angestrebt; d. h. es sollte sein: log U2 = a • log Ui. Dabei ergibt a < 1 einen Kompressor und a > 1 einen Expander. So könnte man beispielsweise 0,66 und 1,5 als Kompressions- und Expansionsfaktoren benutzen.
Bei der heute üblichen Darstellung der Signale in dB erhält man automatisch die logarithmische Darstellung der Kennlinien, wie sie uns schon Weber vorgeschlagen hat. Dolby und seine Nachfolger erreichen die Kompression durch einen in einen Gegenkopplungsweg eingeschalteten vom Signal gesteuerten Verstärker. Kleine Signale vergrößert er und addiert sie zum Ursprungssignal. Derselbe Verstärker, auf der Wiedergabeseite subtrahierend eingeschaltet, stellt die Ursprungsdynamik wieder her (spannungsgesteuerte Mitkopplung und Gegenkopplung in Bild 154).
Kompressions- und Expansionskennlinien
Bild 154 zeigte ein Beispiel mit den viel benutzten Kompressions- und Expansionskennlinien mit der Steigung 2/3 bzw. 3/2. Mit der Steigung 2/3 wird die Originaldynamik von 90dB auf 60dB herabgesetzt (Kompression). Nach der Abtastung wird sie im Wiedergabeverstärker an einer Kennlinie mit der Steigung 3/2 wieder auf 90dB gebracht. Dabei ergibt sich - rein statisch gerechnet - eine Geräuschverbesserung von 20dB bei leiser Musik bzw. in den Musikpausen. Das heißt: nur 1% der bei diesem geringen Pegel sonst wirksamen Rauschleistung bleibt übrig.
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Eine anschauliche Darstellung des Kompandersystems zeigt Bild 155. Hier ist zur besseren Verdeutlichung ein Faktor 1/2 für die logarithmische Kennlinie gewählt.
Diese Darstellung wird besonders einfach, wenn der Bezugspegel gleich 0dB = 100mV gewählt wird. Dann wird auch die Expansion einfach; sie entspricht dann einer quadratischen Kennlinie die durch 100 mV geht. In diesem Beispiel wird ein Pegel von -20dB auf -10dB komprimiert.
Solch ein Kompandersystem ist dynamisch gekennzeichnet durch eine Einschwingzeit Te, eine Haltezeit Th und eine Ausschwingzeit Ta, die zusätzlich zu den statischen Parametern zu berücksichtigen sind. Dolby hatte, ähnlich wie seinerzeit Olson, erkannt, daß es vorteilhaft ist, den Nf-Bereich in Teilbereiche aufzuteilen. Aber in anderer Aufgabenstellung als Olson ordnet er ihnen regeltechnisch unterschiedliche Zeitkonstanten zu, weil dann das Einschwingen einer hohen Frequenz nicht mitbestimmt wird von dem Einschaltvorgang, ausgelöst von einer gleichzeitig in dem Signal vorhandenen tiefen Frequenz.
„Dolby A" - ein Welterfolg bei den Profis
So entstand bei Dolby sein erstes Gerät für die professionelle Tonbandtechnik. Als Dolby dann weitere Systeme entwickelt hatte, wurde dem ersten zur Kennzeichnung die Bezeichnung „Dolby A" gegeben.
Wir können dieses hier nicht ausführlich beschreiben, diesbezüglich sei auf die Originalliteratur hingewiesen [95]. Der gesamte Nf-Bereich wird bei Dolby A in vier Teilbänder aufgeteilt, die jeweils mit einem eigenen Kompressor und Expander arbeiten (Bild 156).
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Auch abgeknickte logarithmische Kompanderkennlinien setzt man schon ein, Kennlinien wie sie bereits Weber vorgeschlagen hatte (Bild 157) [92].
Dem Verfasser wurde seinerzeit zusammen mit Prof. Nestel eines der ersten Dolby-A-Geräte bei der EMI in England vorgeführt.
Wir waren begeistert, und Nestel veranlaßte die Übernahme in das Telefunken-Ela-Programm. Das war mit ein Anlaß, daraus später bei Telefunken eine eigene verbesserte Version, das Telcom zu entwickeln.
Das Dolby A führte sich als System gut in die professionelle Magnetbandtechnik (Studiotechnik) ein.
In den Telefunken-Ela-Laboratorien stellte sich heraus, daß es noch verbesserungsfähig war. In systematischer Entwicklungsarbeit hat dort Jürgen Wermuth einen neuen Studiokompander entwickelt, der alle Wünsche erfüllt. Dieser Telefunken-Kompander erhielt abgekürzt die Bezeichnung „Telcom".
Aus vielen Veröffentlichungen darüber seien zwei herausgegriffen [96,97]. Auch hier wird wieder mit mehreren voneinander unabhängigen Regelsystemen gearbeitet, in der Ausführung Telcom 4c mit vier (Bild 158).
Der Tsunami kam 1973 mit „Dolby B"
Der Siegeszug des Kompanders begann aber erst, als es gelang, ein stark vereinfachtes und doch hochwirksames System zu entwickeln, das auch in Heimrecordern einsetzbar war. Und hier liegt der eigentliche Verdienst von Ray Dolby, der dazu 1973 sein „Dolby B" herausbrachte [98], das heute in der Mehrzahl der besseren Kassettenrecorder eingebaut ist. Er hat es verstanden, das System mit seinem Namen zu verbinden und die Geräte, in die es eingebaut ist, mit seinem Markenzeichen zu versehen.
Der Dolby-A Breitbandkompander erforderte die Aufteilung in vier Teilbereiche. Nur so konnte verhindert werden, daß hochpegelige Signalfrequenzen in einem Bereich die Kompandierung in einem anderen Bereich störend beeinflußten. Dolby ging bei Dolby B an Hand einer gemessenen Rauschkurve der Art von Bild 159 davon aus, daß man ohnehin nur im oberen Nf-Bereich kompandieren muß. Gegen nicht zu kompandierende unerwünschte Signale für den Kompander verschiebt er im Zusatzkanal mit Hochpaßcharakteristik dieses Filter bei Bedarf - und das signalgeregelt - nach oben (Sliding Band), so wie es Bild 160 zeigt.
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An einem CC-Gerät mit getrenntem Aufnahme- und Wiedergabekopf läßt sich mit eigenem Kompander und Expander die Schaltung von Dolby B gut veranschaulichen (Bild 161a und 161b).
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Prinzipschaltung von Dolbys Grundidee
Nach Dolbys Grundidee, die im Prinzip dann auch andere Kompandersysteme übernommen haben, wird derselbe Baustein durch einfache Umschaltung für Aufnahme und Wiedergabe verwendet (Bild 162).
Der Geräuschabstand kann mit Dolby B um etwa 8dB verbessert werden, was meist ausreicht. Von großem Vorteil hat es sich bei den bespielten Musikassetten gezeigt; sie sind heute fast alle mit Dolby B aufgenommen.
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Das „High-Com" -System von Telefunken 1978
Wie jedes als erstes eingeführtes System hat Dolby B auch seine Mängel, z. B. eine kritische Einstellung des Referenzpegels. Ferner schien eine Vergrößerung des damit erreichten Geräuschabstandes wünschenswert.
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Von dem von Jürgen Wermuth geschaffenen professionellen Telcom-System ausgehend, entwickelte man bei Telefunken 1978 das „High-Com" -System für die Anwendung in CC-Geräten. Bezüglich dieser Entwicklung muß auf die Literatur verwiesen werden [99,100]. Denn das ist schon nicht mehr Geschichte, sondern Gegenwart.
High-Com vermeidet wesentliche Nachteile des Dolby B, unter anderem ist es weniger von der Geräteeinstellung abhängig und erreicht einen größeren Geräuschabstand (bis etwa 20dB, Bild 163). Eine ernste Konkurrenz wurde es für Dolby B, als es gelang, es durch eine einfache Umschaltung auf der Wiedergabeseite auch gut brauchbar für mit Dolby B bespielte Kassetten zu machen. (Zwar hat man von 1978 bis 1982 etwa eine Million High-Com-ICs ausgeliefert, doch blieb im Lieferumfang Dolby B immer noch Favorit.)
Dolby legt nach mit "Dolby C"
Es war völlig klar, daß Dolby sich von High-Com nicht überflügeln lassen wollte. Daher schuf der Vater der Konsum-Kompander, der für die Compact- cassettengeräte noch andere Systeme entwickelt hatte (z. B. Dolby HX, „Headroom Extension"), ein neues CC-System, das wirksamer als sein Dolby B ist und das ebenfalls bis 20dB Geräuschverbesserung bringen sollte. Obwohl es ganz neu ist, wollen wir zum Schluß noch ganz kurz darauf eingehen.
Um im oberen Bereich die 20dB Rauschunterdrückung zu erreichen, wurden - unter Anwendung von Kunstgriffen - zwei unterschiedlich dimensionierte Dolby-B-Systeme hintereinandergeschaltet. Ein zwischengeschalteter Begrenzer vermindert die Gefahr von Übersteuerungen (Bild 164).
Während beim normalen Dolby B der Kompander oberhalb 300Hz zu wirken beginnt und bei 4kHz und darüber mit 10dB Rauschverminderung voll wirksam ist, beginnt Dolby C schon oberhalb von 100Hz, erreicht bei 400Hz bereits 15dB und ist im Gebiet von 2 ... 10 kHz mit 20dB voll wirksam (Bild 165)[101]. Die Kompandierung beider Systeme und die Gesamtwirkung zeigen die Bilder 166 und 167.
Ob Dolby C die Unempfindlichkeit von High-Com gegen unterschiedliche Eingangspegel erreichen kann, das wird die Erfahrung zeigen. Noch scheint es, als ob die neuesten Ausführungen von High-Com das Optimum darstellen von dem, das man für die Anwendung in einem Konsumgerät (mit dem dafür erlaubten beschränkten Aufwand) erreichen kann. Ein Vorteil von Dolby C sei aber noch erwähnt: Eines der beiden Systeme ist ein Original-Dolby B. Dadurch ist die Umschaltung auf Dolby B (für die meisten Musikassetten) besonders einfach und die Kompatibilität dazu gesichert.
Die erfolgreichen Lösungen beim Tonband animierten die Schallplattenindustrie, ebenfalls Kompandersysteme einzusetzen. Ein solches System, nach dem schon serienmäßig Schallplatten hergestellt werden, ist das CX-System von CBS. Es ist für die vom Magnetbandrauschen erheblich in der Frequenzverteilung abweichenden Rausch- und Störkomponenten beim Schallplattensystem ausgelegt. Aber noch ist dies nicht Geschichte!
Die Tonbandstory - eine Zusammenfassung
Nachdem der Verfasser im ersten Teil der Serie (Artikel 1-39) ausführlich über den Weg von der Tonwalze zur Schallplatte berichtet hatte, wollte er die Entwicklungsgeschichte des Tonbandes in einem zweiten Teil (Artikel 40-72) darstellen. Es ist ihm schwer gefallen, aus der Fülle des Materials und aus seinen eigenen Erlebnissen eine Auswahl zu treffen. Immer wieder wurden Bilder, die schon ausgewählt waren, in das Archiv zurückgelegt.
Sehr gerne wäre der Verfasser auch mehr auf die Physik eingegangen - letzten Endes sein Arbeitsgebiet -, aber aus Platzgründen mußte er allgemein bleiben. Auf die Nachkriegsentwicklung der professionellen Magnetbandgeräte mußte ebenso verzichtet werden, wie auf die interessante Entwicklung der Magnetköpfe und der Kassettenmechanik. Doch irgendwo stand das alles bereits ausführlich in Ihrer FUNKSCHAU bzw. kann in der angegebenen Literatur nachgelesen werden.
Es war dem Verfasser ein Bedürfnis, auch über die Frühentwicklung der „Rauschkiller" zu schreiben, denn als er 1934 an dem Mihalyschen Filmgrammophon arbeitete, hatte er zur Unterdrückung des Rauschens der nur 1mm breiten Lichttonspur wohl zuerst ein Kompandersystem in ein Bandgerät eingebaut. Er nahm eine halbe Spur für das stark komprimierte Signal und eine weitere halbe Spur für ein Pilotsignal zur Steuerung der Expandierung. Betrübt mußte er aber dann feststellen, daß über die Steuerung der Kompandierung durch eine Pilotspur schon ein Patent existierte [102]. So blieb dem Fernsehentwickler, der sich mit der Rauschverminderung im Bild abquälen mußte, die Entwicklung auf der Tonseite ein Anliegen, das er mit Interesse verfolgte.
Auch auf die Beschreibung der digitalen Tontechnik mußte vorläufig verzichtet werden, sie ist noch nicht Geschichte. Der Verfasser verabschiedet sich hiermit vom Tonband und wird demnächst den heute viel gefragteren aktuellen dritten Teil dieser Serie bringen: die Geschichte der Videoaufzeichnung, der Audiovision. Damit wird er sein Versprechen einlösen, mit dem er die Reihe anfing: „Von der Tonwalze bis zur Bildplatte."
Nachtrag 2012:
Leider kam es dazu nicht mehr. Walter Bruch mußte unseres Wissen nach gesundheitsbedingt diese Pläne abbrechen und hat möglicherweise ein Manuscipt hinterlassen. Das Bruchsche Erbe lagert auch unseres Wissens nach im Technik Museum in Berlin und in Lagern der Freien Universität. Dort sollte sich auch das AEG und Telefunken Archiv befnden.
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