Aus der Funkschau 1983 Heft Nr. 07
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 58 (von 72)
von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1982
.
Plattenspieler und Bandgerät in einem Gerät
Noch war HiFi nicht gefordert - bei der 78er Platte ohnehin nur bedingt erreichbar -, da war es verlockend, die elektromechanischen Antriebseinrichtungen, die man für den Tonbandtransport brauchte, für den Antrieb eines Plattentellers mit auszunutzen. So entstanden Kombinationsgeräte, wie z. B. 1952 das Optaphon 51 WAP von Loewe Opta {Bild 91a). Für eine Übergangszeit befriedigte solch ein Gerät den Wunsch nach einem Tonbandgerät, kombiniert mit einem billigen Plattenspieler.
Andere erste Geräte der Nachkriegszeit arbeiteten, da das Tonband zunächst sehr teuer war, noch mit Stahldraht, auch für Musik! Dazu gehörte z. B. das in Bild 92 und 93 gezeigte Modell von Schaub-Lorenz, das auf der alten Stahldraht-Tradition von Lorenz aufbaute.
(91) Plattenspieler-Tonband-Kombination: das Optaphon 51 WAP von Loewe Opta (1951)
(92) In den 50er Jahren: Schaub-Lorenz begann wieder mit einem Stahldrahtgerät
(93) Drahtrecorder von Schaub-Lorenz: Der Stahldraht befand sich in einer leicht auswechselbaren Kassette. Dies war das erste Kassettengerät - wenn auch mit Stahldraht-, das in Deutschland für Amateurzwecke zur Verfügung stand.
1951 - lange vor James Bond - das Minifon
Ein sensationeller Schlager der Industriemesse Berlin 1951 war das erste Draht-Batterie- Diktiergerät „Minifon" (Bild 94).
Das komplette Gerät, mit Drahtspulen ausgerüstet, mit drei Miniaturröhren sowie den Batterien zum Betrieb der Röhren und des Antriebs für den Drahtablauf hatte nur die Abmessungen von 11 cm X 17 cm X 3,5 cm. 2 1/2 Stunden Sprache konnten mit einer Spule aufgenommen werden.
(Der Verfasser hat diktierend damit die ganze Welt bereist.) 680 DM kostete solch ein Gerät. Eine Firma Monske in Hannover hatte damit eine Entwicklung eingeleitet, die heute mit Miniatur-Tonbandkassetten eine neue Welt des Diktierens geschaffen hat.
Aus den AEG Bandgeräten wurde Telefunken
Der Magnetofonerfinder AEG übertrug die Tonbandaktivitäten auf die AEG-Tochter Telefunken. Von dort kam 1957 als erstes echtes Amateurgerät das KL 65 TS (Bild 95). Entwickelt von Rudolf Goetze, hatte es als Prototyp einer ganzen Familie Drucktasten, ohne die man sich ein Amateurgerät nicht mehr vorstellen kann. (Anmerkung: Vorher gab es ab 1953 bereits das AEG KL15).
(95) Telefunken KL 65 TS: das erste echte Heim-Tonbandgerät mit Drucktastenbedienung (1957; zwei Bandgeschwindigkeiten: 9,5 cm/s und 4,75 cm/s, Frequenzbereich: 60 11 000 Hz bzw. 60 6000 Hz, Preis: 469 DM)
.
Das Schaub-Lorenz „Musik-Center"
Lassen Sie uns noch eine eigenwillige Konstruktion der 50er Jahre herausgreifen: Ein „Musik-Center" (Bild 96), wie es der Hersteller, die Firma Schaub-Lorenz, nannte. Es hätte sicher Bedeutung erlangt, wären nicht die Tonbandkassetten gekommen, mit denen die Anlegung eines bequem zugänglichen Musikarchivs auf leichtere Weise ermöglicht wurde.
.
.
45 Stunden Musik konnten mit dem Musik-Center auf einem Band aufgezeichnet werden, wobei zu den einzelnen Musikprogrammen ein schneller Zugriff möglich war. Natürlich konnte man dazu kein einspurig besprochenes Magnetband verwenden, denn selbst bei einer Bandgeschwindigkeit von nur 2,4 cm/s hätte man dafür ein 400m Band gebraucht, ohne daß sich ein schneller Zugriff hätte ermöglichen lassen.
Die Konstrukteure wählten ein 100mm breites Magnetband, auf dem auf 126 parallelen Spuren aufgezeichnet wurde. Mit jeder Spur des auf einer Walze aufgewickelten Bandes wurde bei einer Bandgeschwindigkeit von 11 cm/s eine Spielzeit von 22 Minuten erreicht. Mit einer präzise einrastenden Wähleinrichtung konnte jede dieser 126 Spuren für Aufnahme oder Wiedergabe eingestellt werden. Dazu gab es eine Automatik, die das Gerät am Ende einer Spur auf Rücklauf und nach dem Ende des Rücklaufs (in 25s) auf die nächste Spur schaltete.
Von den weiteren technischen Neuheiten beim Musik-Center sei noch die Stoptaste erwähnt, mit der am Ende eines Musikstückes ein Pilotsignal aufgezeichnet werden konnte, das an dieser Stelle den Rücklauf und den Übergang auf eine neue Spur einschaltete.
Das Gerät konnte (voll bespielt) zwei Tage und zwei Nächte lang pausenlos wiedergeben. Wie man den Bildern 97, 98 und 99 entnehmen kann, war das Musik-Center eine konstruktiv interessante, aber sehr aufwendige Lösung, die jedoch ihren Markt nicht gefunden hat.
(Bild 99) Schneller Bandrücklauf: Das Musik-Center hatte dafür einen separaten Motor. Auf der Motor-Achse befand sich ein Gummi-Reibrad, das gegen die Aufwickeltrommel gedrückt wurde und so den schnellen Bandlauf veranlaßte
Länderwechsel: Japan nach dem verlorenen Krieg
Tonbandgeräte, sowohl mit Spulen, als auch die noch zu besprechenden Kassettengeräte, kommen heute vorwiegend aus Japan. Doch auch in Japan hat man nach dem auch für dieses Land verlorenen Krieg ganz bescheiden angefangen, Tonbandgeräte zu entwickeln, dabei deutsche Geräte nachempfindend.
Da war 1945 Masaru Ibuka, dem sich ein Jahr später Akio Morita zugesellte. Sie gründeten mit ihren "wenigen Dollars" eine Firma, die inzwischen zu einem Weltunternehmen geworden ist. Ein Produkt, das Ibuka entwickeln wollte, war ein Drahtrecorder.
Als man schon dabei war, sah Ibuka eines Tages in einem Büro der amerikanischen Besatzungsmacht ein Magnet- bandgerät deutscher Herkunft. (Anmerkung: Hier irrt Walter Bruch, es war ein frühes amerikanisches Gerät der Brush Develpment.) Es hatte eine so gute Qualität, daß er beschloß, statt des Drahtrecorders ein Magnetbandgerät zu entwickeln.
- Anmerkung: Das ist eine sehr verklärt kreative Geschichte, die Akio Morita in seinem Buch ganz anders beschreibt. Nämlich, daß niemand diesen beiden armen "Buben" den dünnen Stahl-Draht liefern wollte oder konnte.
.
Masaru Ibuka und Akio Morita wechseln zum Band
Aber woher das Band nehmen? Man hatte nur einige Informationen aus dem Vorkriegsdeutschland. Zunächst begann man mit Cellophan, das man manuell mit Eisenoxidpulver versah. Doch man mußte dieselbe Erfahrung machen wie wir Deutschen, als wir ein Lichttonbandgerät auf Cellophanbasis entwickelten: Das Material dehnte sich und war hygroskopisch. Daher ging man über zu Papier. Lange dauerte es, bis man ein geeignetes Band auf Papierbasis hatte.
Auf Kunststoff konnte man nicht übergehen, weil damals im besetzten Japan strenge Einfuhrbeschränkungen der Amerikaner dieses Material nicht beschaffbar machten. Ende 1949 stand endlich ein verkaufsfähiges Gerät zur Verfügung: Typ GT, das erste Tonbandgerät in Japan (Bild 100). 1958 wurde für die Firma der Markenname „Sony" eingeführt. So hat man also auch in Japan ganz bescheiden mit dem Papiertonband angefangen, wie Jahrzehnte vorher Pfleumer in Deutschland.
.
Hier wäre noch anzumerken, daß das erste Heimtonbandgerät mit Drucktasten in Japan ein Nachbau des Telefunken-Gerätes KL 65 TS war, in Telefunken-Lizenz und mit zugelieferten Bauteilen aus Deutschland gefertigt. Der Verfasser hat diese Produktion um 1960 bei der Firma „Nippon Musen" (auch „Japan Radio Corp.") in Tokio besichtigt. Ein Foto von einem Fertigungsband aus dieser Zeit (Bild 101) möge illustrieren, daß die heutige Vormachtstellung japanischer Firmen in der Produktion von Tonbandgeräten ihren Ursprung in deutscher Technik hat.
Bild 101. Nachbau: Als erstes Heimgerät mit Drucktasten in Japan wurde Ende der 50er Jahre im Telefunken-Nachbau das Gerät KL 65 TS gefertigt. Eine Aufnahme des Verfassers vom Montageband der Firma „Nippon Musen" (auch „Japan Radio Corp.") aus dem Jahre 1960
.
Von Deutschland ging eine Technik um die Welt!
Pfleumer, der Erfinder des Tonbandes, hat die weltweite Verbreitung seiner Erfindung nicht mehr erlebt; er starb kurz nach Kriegsende am 29. August 1945 in Dresden.