Aus einer internen Publikation der BASF vermutlich 1964
A) Akustische Begriffe detailiert erklärt
Das Auftreten von Schall ist stets an das Vorhandensein von Materie (Gas, Flüssigkeit, Festkörper) gebunden. Die uns geläufigste Erscheinungsform ist die Ausbreitung des Schalls in Luft, mit der wir uns hier ausschließlich beschäftigen wollen.
Seinem Wesen nach besteht der Schall aus rhythmischen Schwingungen der Luftmoleküle um ihre Gleichgewichtslage, etwa vergleichbar mit Pendelschwingungen, deren Ursache in jedem Fall von einer Schallquelle herrührt. Diese Schwingungen der Luftpartikelchen bewirken Luftverdichtungen und Luftverdünnungen, also Luftdruckschwankungen, die sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit, der Schallgeschwindigkeit, vom Entstehungszentrum aus nach allen Seiten im Raum ausbreiten.
Um das Wesen der akustischen Vorgänge besser verstehen zu können, betrachten wir zunächst eine einfache Erscheinung, den Knall: Bei der Explosion eines Sprengkörpers entsteht durch das plötzliche Freiwerden einer größeren Gasmenge ein Zentrum hohen Luftdruckes. Dieser plötzlich auftretende Druck gleicht sich nach allen Seiten hin aus, so daß man von einer sich kugelförmig ausbreitenden Druckwelle sprechen kann. Erreicht die Druckwelle, die man in hinreichend großer Entfernung vom Entstehungsort als ebene Welle bezeichnen kann, unseren Beobachtungspunkt, so stellen wir einen plötzlichen Druckanstieg fest.
Der Druckanstieg verschwindet sofort wieder, wenn die Druckwelle vorübergezogen ist. Die Luftmoleküle am Beobachtungsort erfahren beim Eintreffen der betrachteten Druckwelle eine Bewegung in deren Fortschreitungsrichtung und sobald das Maximum des Druckes überschritten ist, eine rückläufige Bewegung in Richtung auf das Entstehungszentrum; sie vollführen also eine einmalige Pendelbewegung. Eine am Beobachtungsort befindliche Membran erfährt durch die Druckwelle eine einmalige Auslenkung; das Ohr vernimmt einen Knall.
Bei einer periodischen Erregung der Luft durch eine schwingende Membran, eine schwingende Saite oder dergleichen, vollführen die Luftpartikelchen gleichfalls periodische Pendelbewegungen, und zwar im gleichen Rhythmus. Die sich ergebenden Druckschwankungen breiten sich auch hier nach allen Richtungen gleichförmig mit Schallgeschwindigkeit aus. An unserem Beobachtungspunkt werden Druckanstieg und Druckfall in wechselnder Folge wahrgenommen. Eine hier befindliche Membran erfährt - im Gegensatz zum Knall - eine ständige rhythmische Bewegung; das Ohr vernimmt einen Ton.
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß die Pendelbewegung der Luftpartikelchen nichts mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Druckwelle zu tun hat. Die Auslenkung der Luftmoleküle, also ihr Pendelweg um die Gleichgewichtslage ist äußerst gering; er liegt in der Größenordnung von Millimetern bis Zehntelmillimetern. Der Pendelweg ist abhängig von der Größe der Druckschwankungen, also von der Lautstärke und von der Frequenz, also von der Tonhöhe.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls (Schallgeschwindigkeit) hingegen ist konstant und beträgt in Luft etwa 330 m/s. Die empfundene Höhe eines Tones hängt von seiner Schwingungszahl ab, d.h. von der Anzahl der Schwingungen, die in einer bestimmten Zeit ausgeführt werden. Man bezeichnet diese Größe als "Frequenz" (f) und mißt sie in Schwingungen pro Sekunde oder was das gleiche ist, in Hertz (Abkürzung: Hz).
Frequenz und empfundene Tonhöhe entsprechen einander: je größer die Frequenz, desto höher der Ton und umgekehrt. Der Bereich des menschlichen Hörens erstreckt sich von etwa 16 Hz bei den tiefen Tönen bis etwa 16 000 Hz bei den hohen Tönen. Die obere Hörgrenze ist jedoch stark individuell verschieden und vom Lebensalter abhängig. Junge Menschen vermögen noch Frequenzen von 18 000 bis 20 000 Hz wahrzunehmen, während ältere Menschen nur noch Tonhöhen bis 10 000 oder 12 000 Hz hören können.
Ist die Schwingung einer betrachteten Schallquelle und damit die von ihr ausgehende Schallwelle rein harmonisch, ist also in ihr nur eine einzige Schwingungszahl (Frequenz) enthalten, so vernehmen wir einen reinen (einfachen) Ton. Ein Gemisch reiner Töne, welches aus einem reinen Ton (Grundton) von meistens überwiegender Stärke und einer mehr oder weniger großen Anzahl schwächerer Obertöne von höherer Schwingungszahl besteht, wird in der Physik als Klang bezeichnet.
Bei der Schwingung von schwingungsfähigen Körpern (Membran, Saite, Luftsäule) entsteht fast ausnahmslos kein reiner Ton, sondern ein Klang, da diese meist nicht nur mit ihrer Grundfrequenz schwingen, sondern auch mit ihren höheren Frequenzen (Oberschwingungen). Sie besitzen, wie man sagt, ein Frequenzspektrum, in dem neben ihrer Grundschwingung die einzelnen Oberschwingungen in verschiedener Stärke vertreten sind.
Die Oberschwingungen, die auch als "Harmonische" der Grundschwingung bezeichnet werden, sind dadurch gekennzeichnet, daß ihre Frequenz stets ein ganzzahliges Vielfaches der Grundfrequenz beträgt. Wird zum Beispiel auf irgendeinem Instrument der Kammerton a gespielt, der eine Grundschwingung von 440 Hz besitzt, so entstehen je nach Art des Instrumentes neben der Grundschwingung mehr oder weniger stark ausgeprägte Obertöne mit den Schwingungszahlen 2 x 440 Hz = 880 Hz, 3 x 440 Hz = 1320 Hz usw.
Das Intensitätsverhältnis der einzelnen Obertöne relativ zum Grundton bestimmt die Klangfarbe eines Klanges, während der Eindruck der Tonhöhe einzig und allein durch die Frequenz des Grundtones bestimmt ist. Die Unterschiedlichkeit der Klangfarben der verschiedenen Musikinstrumente beruht auf solchen Intensitätsunterschieden ihrer Obertöne. Darüber hinaus spielen bei der Klangcharakteristik noch sogenannte Einschwingvorgänge eine Rolle; das sind unterschiedliche Einsatzzeiten der Obertöne beim Einsetzen des Klanges (Anblasen, Anschlagen).
Die von einem Musikinstrument erzeugten Schwingungen (Grundton und Obertöne) setzen sich zu einer einzigen Schwingung zusammen. Daß dies so sein muß, wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die Luftmoleküle oder das Trommelfell unseres Ohres ja nicht gleichzeitig mehrere Schwingungen ausführen können. In Bild 1 ist diese Zusammensetzung von einer Grundschwingung und zwei Oberschwingungen dargestellt. Die Schwingungsweite (z.B. Schalldruck oder Auslenkung einer Membran) ist hier, ebenso wie der zeitliche Ablauf des Vorganges in willkürlichen Einheiten aufgetragen.
Die maximale Schwingungsweite (Amplitude) der Grundschwingung wurde mit 1 gewählt, diejenige der 1 . Obsrschwingung (doppelte Frequenz) mit 1/2 und diejenige der 2. Oberschwingung (dreifache Frequenz) mit 1/3. Die daraus resultierende Gesamtschwingung ergibt sich einfach durch Addition der Momentanwerte ihrer Teilschwingungen. Daß in Bild 1 die Nulldurchgänge der Grundschwingung mit den Nulldurchgängen der Oberschwingungen zusammenfallen, ist keineswegs notwendig. Da unser Ohr jedoch eine Verschiebung dieser Nulldurchgänge der Oberschwingungen (Phasenverschiebungen) nicht wahrzunehmen vermag, können wir uns auf diese etwas einfachere Darstellung beschränken.
Ein reiner Ton, der in der Physik als harmonische oder sinusförmige Schwingung bezeichnet wird und keine Obertöne aufweist, klingt leer und fade. Derartige Töne, die aus der Technik bekannt sind, werden von elektronischen Tongeneratoren erzeugt (Meßfrequenzen) und haben lediglich in der Meßtechnik eine Bedeutung (z.B. Pegelton und Frequenzgangteil des Bezugsbandes). Im musikalischen Sprachgebrauch, wo es sich also immer nur um Klänge handelt (Grundton mit Obertönen), versteht man unter einem Ton das, was physikalisch als Klang definiert ist. Das gleichzeitige Erklingen mehrerer ungefähr gleichstarker Töne oder Klänge wird physikalisch als Akkord bezeichnet, wenn die Schwingungszahlen der beteiligten Klänge oder Töne in einem einfachen Verhältnis ganzer Zahlen zueinander stehen. Ein Geräusch ist ein Tongemisch, das entweder ein mehr oder weniger kontinuierliches Schallspektrum aufweist, oder das sich aus sehr vielen Einzeltönen zusammensetzt, deren Frequenzen und Schwingungsweiten sich auch zeitlich ändern können.
Steht ein Punkt im Raum unter der gleichzeitigen Wirkung von zwei Schallwellen, so überlagern sich deren Schwingungen ebenfalls zu einer einzigen Schwingung. Die aus zwei oder mehreren Klängen sich ergebende Gesamtschwingung (Akkord) ist natürlich weitaus komplizierter als diejenige ihrer Komponenten. Bild 2 mag einen Eindruck von der Gesamtschwingung eines einfachen Akkordes vermitteln, der aus zwei Klängen gebildet ist, welche im Frequenzverhältnis 3 : 4 stehen (reine Quarte). Der mit 1 bezeichnete Klang entspricht dabei der Darstellung im Bild 1. Der Klang 2 ergibt sich aus einem Grundton mit der Amplitude 1, einem ersten Oberton mit der Amplitude 1/2, einem 2. Oberton mit der Amplitude 1/4 und einem 3. Oberton mit der Amplitude 1/5. Diese beiden Klänge 1 und 2 setzen sich durch Addition ihrer Momentanwerte zu der Gesamtschwingung 3 zusammen.
Bei der Überlagerung von mehreren Klängen und Geräuschen (z.B. Orchester) entstehen natürlich noch weitaus kompliziertere Schwingungsformen, die sich dann noch zeitlich verändern. Daß sich die gesamte Klangfülle eines Orchesters zu einer einzigen Schwingung zusammensetzt, findet man bestätigt, wenn man die Rille einer Schallplatte unter der Lupe oder dem Mikroskop betrachtet. Wenn unser Ohr trotz der Kompliziertheit solcher Gesamtschwingungen alle Einzelklänge, Geräusche, Stimmen usw. herauszuhören vermag, so ist dies - auch wenn es uns selbstverständlich erscheint - durchaus bemerkenswert. Die Eigenschaft unseres Gehörs, einen Akkord oder ein Gemisch von Klängen, Akkorden und Geräuschen zu analysieren und so die einzelnen Instrumente, Stimmen usw. herauszuhören, gehört zu den erstaunlichsten Merkmalen menschlicher Sinnesempfindung.